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Montag, 2. Dezember 2024

Kongo V: Die Königin gewährt uns Audienz

Als junge Frau hiess sie Ngassié, dann wurde ihr der Name Ngalifourou gegeben. Die wohl berühmteste Königin der Betéké hatte das Amt über 70 Jahre in.  


Am zweiten Tag unserer langen Reise auf dem Kongo kommt es in Ngabé zum ersten Landgang nach Brazzaville. Uns steht ein besonderes Ereignis bevor: Wir werden von  Königin Ngalifourou empfangen. 

Dass es in Kongo-Brazzaville eine Königin geben sollte, war mir bis zu diesem Augenblick nicht bewusst. Zumal das Land im eisernen Griff des Staatspräsidenten Denis Sassou Nguesso ist. 

Hier deshalb ein kleiner Crash-Kurs in Geschichte, den ich mir mangels Internet auf dem Schiff auch erst zu Hause zusammensuchen konnte.  

Ngabé war früher ein wichtiger Ort des Königreichs Batéké in der Region Mbé nördlich der heutigen Hauptstadt Brazzaville. Bereits im 15. Jahrhundert galten die Batéké als erfolgreiche Händler, die ihre Ware auf den Flüssen transportierten. Sie waren bereits aktiv im Sklavenhandel tätig, als der Portugiese Diogo Cao als erster Europäer die Kongo-Mündung erreichte und erstmals Kontakt zu den Batéké herstellte. 

Die Batéké kontrollierten im 17. Jahrhundert auch Kupferminen, an denen die Europäer besonders interessiert waren. 

Drei Jahrhunderte später trat Entdecker Pierre Savorgnan de Brazza in Kontakt mit Iloo Makako, wie der damalige Batéké-Konig hiess. Dabei lernte Brazza auch die erst 15 jährige Gattin von Makoko, Ngassiè, kennen. Die Frau genoss wegen ihrer ausserordentlichen Intelligenz und ihres starken Einflusses auf ihren viel älteren Gatten grossen Respekt. 

Hier ein Auszug aus einer Biografie über die bemerkenswerte Frau:

Ihre Aufgabe ist nicht leicht. Nicht nur muss sie zeigen, wozu sie fähig ist, sie muss sich auch durchsetzen (...) in dieser teuflischen Männer-Maschine. Sie wartet nicht darauf, dass ihr das Wort erteilt wird, sie ergreift es - den bohrenden Blicken aus dem Hofstaat des Königs zum Trotz. (...) Angesichts der Demonstration von Stärke der sie umgebenden Alphamänner bleibt ihr nichts anderes übrig, als die Kraftprobe zu bestehen."

Die unbeugsame Frau war auch daran beteiligt, als ihr Gatte Iloo Makoko einen Vertrag mit de Brazza signierte, wodurch das Batéké-Gebiet an Frankreich fiel und  zum Grundstein von Französisch-Kongo wurde. Sie wird die erste Frau eines Betéké-Königs sein, die den Namen Ngalifourou erhält, was soviel wie "Besitzerin der Asche" heisst. Fortan galt sie als oberste spirituelle Hüterin des Betéké-Reichs.

De Brazza war von Ngalifourou so beeindruckt, dass er ihr ein Schwert und eine Hellebarde schenkte. Als Iloo Makoko 1892 starb, bestieg die 28-jährige Witwe als Königin-Mutter den Thron des Köngreichs Mbé. Weil es die Tradition verlangte, musste sich Ngalifourou erneut vermählen. Was sie denn auch tat, indem sie nacheinander alle übrigen 10 Könige des Batéké-Reichs heiratet (es handelte sich ausnahmslos um alte Männer). Sie lebte aber nie mit ihnen zusammen. 

Die Königin zog sich an ihren Geburtsort Ngabé zurück, übte jedoch weiterhin einen grossen politischen Einfluss aus. Sie unterzeichnete weitere Verträge mit den Franzosen und ermunterte Betéké-Soldaten zum Dienst in der französischen Armee sowohl im Ersten wie im Zweiten Weltkrieg. Auch traf sie sich mehrmals mit General Charles de Gaulle, der während des 2. Weltkriegs zeitweise in Brazzaville wohnte. 1944 verlieh ihr de Gaulle den Kreuzorden der Ehrenlegion (Légion d'Honneur). 

Die Frau, die auch für ihre Zornesausbrüche berüchtigt war, präsentierte sich stets auf einem roten Thron, der auf einem Leopardenfell stand. Gerne trug sie einen Tropenhelm und liess sich bei Ausfahrten von Weissen begleiten. 

Nicht bei allen Betéké kam ihr enges Verhältnis mit der französischen Kolonialmacht gut an. Man kritisierte sie als "Die Frau der Weissen". In den 50er Jahren schwand ihr Einfluss, nachdem im Land der Ruf nach Unabhängigkeit von den Franzosen immer stärker wurde. 

Als Ngalifourou 1956 verstarb, richteten ihr die französischen Kolonialbehörden ein Staatsbegräbnis aus, an dem unter anderem Vertreter des Vatikans und hochrangige Staatsbeamte anderer französischer Kolonien teilnahmen. 

Die Unesco listete sie als eine der wichtigsten Frauen in Afrika auf. 

Seither heissen alle Königinnen Ngalifourou. 


Die jetzige Königin empfängt uns zu einem kurzen Besuch. Neben ihr tänzelt ihr Sprecher, der unsere Fragen beantwortet. Die Königin selber spricht nur selten. 


Und nun stehen wir in Ngabé vor dem Haus der heutigen Ngalifourou, einer Enkelin der berühmten Königin. Wobei der Begriff "Enkelin" weitegefasst werden muss, weil die 1956 verstorbene Königin keine Nachkommen hatte. Ihre Schwangerschaften endeten alle mit Spontanaborten oder Totgeburt. 

Wie tritt man vor eine Königin? Man setze den linken Fuss leicht vor den rechten und deute einen Knicks an. Gleichzeitig schlage man dreimal die Hände leicht zusammen, werden wir instruiert. 

Und als Frau darf man keineswegs in Hosen vor die Königin treten. Weil ich und alle anderen mitreisenden Frauen Hosen tragen, werden eiligst bunte Tücher herangeschafft, die wir uns um die Hüften wickeln müssen. 


Im korrekten Dress parat für die Audienz. 

Nachdem ich das protokollarische Prozedere pannenfrei bestanden habe, darf ich mich auf einen feudalen Sessel an der rechten Seitenwand setzen und die Königin ausgiebig mustern. Schläft sie oder ist sie wach? Immer wieder fallen ihre Augenlieder nieder, die Frau soll gegen 85 Jahre alt sein. Dann erblickt man plötzlich wieder ihre Pupillen und gelegentlich wirft sie sogar ein Wort oder zwei in die Debatte. 

Wie ihre berühmte Vorgängerin ist auch sie in rote Gewänder gekleidet und trägt eine Art Tropenhut. Unter den roten Teppichen erblicke ich die Zipfel des Lepardenfells. Die rote Farbe symbolisiert die Macht, wie ich erfahre. 

An ihrer rechten Seite steht ihr Sprecher. Er und nicht die Königin beantworten unsere vom Dolmetscher ins Kongolesisch übersetzte Fragen. Was zuweilen zu kuriosen Situationen führt, weil unsere Fragen im Hin- und Her von Dolmetscher zum Sprecher und zurück abgeändert werden, wie wir den übersetzten Antworten entnehmen können. 

Nach rund 20 Minuten ist der Spektakel vorbei, wir dürfen Fotos machen und verabschieden uns mit Knicks und Händeklatschen. 


Einer ihrer Söhne vertreibt sich die Zeit vor dem Haus. 

Draussen steht einer ihrer Söhne und sorgt für Ordnung. Ein weiterer Sohn ist  Gemeindevorsteher von Ngabé. Als Nachfolgerin ist ihre Tochter vorgesehen, die mit ihrer Familie in Brazzaville lebt. In den nächsten Monaten soll sie vorübergehend zur Mutter ziehen, um sich in die Rolle der Königin einzuarbeiten. 






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