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Sonntag, 25. Mai 2025

Tunesien III: Die Regierung hat das Land fest im Griff, nicht jedoch den Müll. Und zum Schluss Erhellendes zu den modernen Bauruinen.


Durchkommen nur zu Fuss. Unser Hotel lag hinter dem Regierungsviertel, das von der Polizei rund
um die Uhr bewacht wird. 


Nebst den den berühmten Ruinen wollte ich auch Erkenntnisse über das moderne Tunesien gewinnen. Die bekam ich bereits am ersten Abend serviert, als uns die Polizei am späten Abend die Zufahrt mit Kleinbus ins Hotel in der Altstadt von Tunis strikte verweigerte. Grund: Um zum Hotel zu gelangen, mussten wir erst an zahlreichen Ministerien und Verwaltungsgebäuden vorbei gehen. Die Wege waren mit Eisengittern und Sperrvorrichtungen abgeriegelt. 

Tunesiens Präsident Kais Saied, seit 2019 im Amt, regiert mit eiserner Hand. Im Oktober letzten Jahres sorgte er für Schlagzeilen, weil er Lady Samara, Tunesiens berühmteste Influencerin mit einem Millionenpublikum verhaften und zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe bestrafen liess. Die Behörden warfen ihr vor, sie verstosse gegen die "moralischen Werte Tunesiens". Auch andere Influencerinnen wurden verhaftet.

Die rigorose Einschränkung der Meinungsfreiheit trifft mittlerweile auch bekannte Anwälte, Medienschaffende und Aktivistinnen. Sie werden verhaftet und zu Gefängnisstrafen verurteilt. 


Der tägliche Spaziergang durch den Müll


An den Müllbergen am Gassenrand haben die Katzen ihre Freude. 



Ob es wohl auch Leute trifft, die sich für mehr Umweltschutz im Land stark machen? Die Frage mag etwas deplaziert wirken, doch das Land hat ein enormes Müllproblem. Oder krass formuliert: Tunesien ist eine riesige Müllhalde. Ob in den verwinkelten Altstädten, in den modernen Aussenquartieren: An allen Ecken und Enden stapeln sich Abfälle aller Art. 

Laut dem WWF ist Tunesien. bezogen auf die Einwohnerzahl, einer der grössten Verursacher von Plastikmüll in der Mittelmeeranrainerregion. Ein Grossteil des Abfalls besteht aus Plastik, Papier, Karton und organischen Abfällen. 

Dass das Land bisher kaum eine wirksame Müllverwertung auf die Beine gestellt hat, zeigt sich etwa auf Brachflächen innerhalb und am Rand der Städte. Hier wird Bauschutt aller Art abgeladen und eben der Müll, den die Menschen tagtäglich produzieren. 


Baubrache mitten in der Stadt. Idealer Ort, um den Müll zu entsorgen. 


Und auch die berühmten Ausgrabungsstätte, von denen viele zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören, werden nicht verschont. Flaniert man in den Ruinenstätten, trifft man nicht nur auf gut erhaltene Bäder, Säulen und Überreste von Mosaiken sondern eben auch auf Plastikflaschen, Kunststoffverpackungen und Aludosen. Das scheint, ausser einigen ordnungsliebenden Kulturtouristinnen und -touristen, niemanden zu stören. 


Ob mit oder ohne Ausbildung: Die Arbeitslosenrate ist hoch. 

Kommt dem Abfall keine Beachtung zu weil die Menschen in Tunesien wichtigere Probleme haben? Bei meiner täglichen Internetrecherche zu Tunesien stiess ich auf  die neuste Arbeitsmarktstatistik: Im ersten Quartal lag die Zahl der Arbeitslosen bei knapp 16 Prozent. 

Schlüsselt man die Zahl auf, wird das Bild indessen noch düsterer. Bei den gut ausgebildeten Tunesier lag die Rate bei 23,5 Prozent. Differenziert man nach Geschlecht, waren knapp 31 Prozent der Frauen ohne Job. 

Ohne Berücksichtigung der Ausbildung sieht die Sache noch prekärer aus: In der Alterskategorie 15 bis 24 Jahre registrierte man im ersten Quartal knapp 38 Prozent Arbeitslose. Beide Geschlechter lagen dabei fast gleichauf. 


Es wird gebaut, doch nicht alles auch beendet. Kleine Kunde der Bauruinen. 

In Tunesien gibt es eine weitere Besonderheit zu besichtigen. In den wunderschönen Altstädten trifft man immer wieder auf verriegelte Portale. Je nach Zerfall der Türe erblickt man dahinter zerfallende Häuser und natürlich Abfallberge. Gemäss unserem tunesischen Guide ziehen viele Leute, die es sich leisten können, aus der Medina weg. Mangels Käufer zerfallen die alten Häuser. Ob sich die Stadtverwaltungen dieses Problemes annehmen, konnte ich nicht in Erfahrung bringen. 

Und riesige Ruinen säumen auch eine bekannte Avenue in unmittelbarer Nähe des Meeresstrandes in Sousse. Hier wurden Hotelkästen und riesige Appartmenthäuser errichtet, doch offensichtlich nie vollendet. Am Grad des Zerfalls kann man erkennen, dass dieser Zustand schon seit Jahren anhält. 


In Sousse reiht sich an einem Strandabschnitt eine Bauruine an die andere.


Bauruinen neueren Datums stehen in Cap Bon herum. Die Halbinsel östlich von Tunis ist ein beliebtes Ausflugsziel. Hier bauten bereits die alten Römer Steinquader ab. Und hier befindet sich auch  die bereits erwähnte Ausgrabungsstätte Kerkuoane, die wahrscheinlich besterhaltenen phönizischen Stadt  in Nordafrika. Zwischen den Orten sahen wir immer wieder leerstehende Häuser neueren Datums. Die Leute bauten, bis ihnen das Geld ausgehe, so die Erklärung des Guides. Wenn dann irgendwann wieder mal Bares vorhanden sei, werde weitergebaut. 



Die wohl spektakulärste Bauruine in Tunis: Das Hotel Du Lac. 

Die wohl berühmtestes Bauruine der Moderne steht hingegen in Tunis. Es ist das Hotel Du Lac. Der Kasten hat die Form einer umgekehrten Pyramide und wurde vom italienischen Architekten Raffaele Contigiani 1973 errichtet und galt damals als Symbol postkolonialer Architektur in Tunesien. 

Zur Berühmtheit trug auch bei, dass der berühmte US-Regisseur George Lucas sich hier angeblich zum Design der Sandcrawler in "Krieg der Sterne" (1977) inspiriert haben soll. Der Film war zu Teilen in Tunesien gedreht worden.  

Um die Jahrtausendwende wurde das Hotel geschlossen und mutierte seither zum Dauersorgenkind. 2011 wurde das Hotel 2011 an die staatliche libysche Immobilienfirma LAFICO verkauft. Erste Pläne zum Abriss wurden wegen der libyschen Staatskrise auf Eis gelegt. Danach legten sich Bürgerorganisationen quer gegen einen Abriss. 

Und so bröckelt der berühmte Bau vor sich her. Die Strukturen sollen mittlerweile instabil sein, die Fenster sind eingeschlagen, um das Erdgeschoss wachsen die Berge von heruntergefallenen Ziegeln. 


Aus dem Kleiderschrank, aus den Sinnen....

Und noch eine Besonderheit bleibt mir in Erinnerung: Dass die Altkleidersammlungen in Europa in Afrika landen, ist längst bekannt. In Tunesien konnte ich diese zweifelhafte Entsorgung hautnahe erleben. Auf fast allen Souks trifft man früher oder später auf lange Stände, auf denen massenhaft Kleiderberge herumliegen. "Man kauft hier per Gewicht ein und hofft, dass man in der erworbenen Menge auf ein Markenprodukt stösst", erklärte mir unser tunesischer Guide mit einem Augenzwinkern. In Tunesien nennt man diese Ware "la fripe". Was keine Abnehmer findet, landet danach auf Abfallhalden jeder Art.  


Altkleidermarkt in der historischen Altstadt von Sousse.




Und was man nicht losbringt, landet auf Müllplätzen unter freiem Himmel, wie hier in der historischen Kashba in Sousse. 




 


 

 



 

 





Tunesien III: Die Regierung hat das Land fest im Griff, nicht jedoch den Müll. Und zum Schluss Erhellendes zu den modernen Bauruinen.

Durchkommen nur zu Fuss. Unser Hotel lag hinter dem Regierungsviertel, das von der Polizei rund um die Uhr bewacht wird.  Nebst den den berü...