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Wenn Türen zu Kunstwerken werden. Portal in Tunis. |
Tunesien war bisher ein weisser Fleck auf der Weltkarte meiner Reisedestinationen. Da kam die von der NZZ in Zusammenarbeit mit der Reisehochschule Zürich organisierte zehntägige Reise unter dem ungewohnten Titel "Tunesien im Spiegel von Paul Klee" gerade richtig.
Knapp zwei Stunden dauert der Flug von Zürich nach Tunis, also eine eher kurze Sache.
Wäre da nicht die tunesische Fluggesellschaft Tunisair gewesen. Drei Tage vor Abflug erfahren wir, dass der geplante Flug um die Mittagszeit ausfällt und wir erst am Abend um 18.45 starten würden.
Doch um diese Uhrzeit stand keine tunesische Maschine in Zürich. Sie befand sich, wie ich via Flightradar herausfand, zu diesem Zeitpunkt noch immer in Tunis. Kurz nach 19 Uhr rollte die Maschine schliesslich zu unserem Gate in Zürich (der Zeitunterschied zwischen Tunesien und der Schweiz beträgt eine Stunde).
Der Blick auf die Rücklehne des Vordersitzes war auch nicht sehr ermutigend. Das Netz, in dem normalerweise das Infomaterial (Sicherheitsvorschriften, Hochglanzbroschüren u.a.) verstaut ist, fehlte. Abgerissen und nicht ersetzt.
Ein Blick ins Onlineportal Aerotelegraph bestätigte, was man vermutete. Bei der nationalen Airline liegt vieles im Argen. Also Augen zu und durchatmen.
Um 22.30 Uhr erreichten wir schliesslich unser Hotel Dar El Jeld in Tunis - die letzten Meter zu Fuss. Grund: Das Hotel liegt zwar in der Altstadt, aber die Zufahrt wird von der Polizei Tag und Nacht rigoros abgesperrt, weil sich zahlreiche Ministerien und Verwaltungsgebäude am Rand der Altstadt befinden. Es war unser erster Kontakt mit der aktuellen politischen Lage in Tunesien.
Das Hotel, dessen Eleganz sich erst hinter der Eingangstüre zeigte, entschädigte für alle vorangegangenen Schwierigkeiten. Herrliche Dachterrassen laden zum Verweilen ein. Das Hotel besteht aus mehreren benachbarten Häusern, wie der Blick von oben in einen wunderschönen Innenhof zeigt.
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Eine der Dachterrassen des Hotels Dar El Jeld. |
Mein Zimmer im obersten Stock entpuppte sich als eigentliche Wohnung. Nach dem Entrée betritt man ein geräumiges Wohnzimmer mit gut bestückter Getränke- und Snackbar, einer interessanten Auswahl an Büchern und anderen Annehmlichkeiten. Nicht minder geräumig präsentierte sich das Schlafzimmer. Zum Ensemble gehörten schliesslich ein grosses Badzimmer und eine separate Toilette. Hier lässt es sich verweilen!
Mosaike vom Feinsten im Nationalmuseum von Bardo
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Eines der unzähligen Mosaike im Bardo. |
Doch das dicht gepackte Programm machte klar, dass man nicht zum Chillen da sei, sondern um die mehrere Tausend Jahre alte Geschichte von Tunesien in möglichst vielen Facetten zu erfahren. So, wie das Paul Klee im April 1914 getan hat, als er einige Tage in Tunesien verbrachte.
Dafür sorgte unser Reisebegleiter Andreas Jahn, Germanist und Kunstvermittler, dessen Kenntnisse über Geschichte, Kultur und und vieles mehr phänomenal sind.
Den besten Einstieg dazu bot das tunesische Nationalmuseum von Bardo, das grösste archäologische Museum Tunesiens. Es besitzt neben dem 2011 in der Türkei eröffneten Zeugma-Mosaik-Museum die weltweit bedeutendste Sammlung römischer Mosaiken.
Die Exponaten reichen von der Frühgeschichte bis zur punischen, griechischen, römischen, frühchristlichen und arabischen Epoche. Der Schwerpunkt liegt jedoch klar auf der römischen Kunst.
Das heutige Tunesien gehörte seit der Einrichtung der Provinz Africa proconsularis im ersten Jahrhundert vor Christus zum Weltreich der Römer. Sichtbares Zeichen der römischen Kultur waren blühende Städte, die es dank florierender Landwirtschaft und Handels zu beträchtlichem Reichtum brachten. Von den Krisen, die Rom in der Spätantike zerrütteten, blieb das Land verschont. All dies und noch viel mehr erfuhren wir im Bardo.
Ein etwas kleineres, aber nicht minder interessantes Museum für Mosaike fanden wir übrigens einige Tage später in der Hafenstadt Sousse. Zu meinen persönlichen Highlights dort gehörte das berühmte Haupt der Medusa.
Doch zurück zum Bardo: Am Ende waren es zwei völlig andere zeitlose Trouvaillen, die mich als Ökonomin amüsierten:
"Nichts ist so sicher geschützt, dass es nicht mit Geld erobert werden könnte". Eine Erkenntnis von Cicero.
"In allen Angelegenheiten herrscht das Geld!" Dies die zweite Erkenntnis, dieses Mal von Publilius Syrus festgehalten, einem römischen Autor aus dem 1. Jahrhundert v. Chr.
Als die Terroristen im Museum zuschlugen
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Tafel mit den Namen der Opfer des Anschlags. |
Und wie so oft, sind auch die hässlichen Spuren der aktuellen Zeit im Bardo sichtbar. In der Eingangshalle findet sich eine Tafel mit den Namen von 24 Menschen, darunter 20 Touristen, die bei einem Anschlag am 18. März 2015 getötet wurden. An diesem Tag überfielen Terroristen um die Mittagszeit das Nationalmuseum von Bardo und schossen wahllos auf Touristen, die eben aus ihrem Reisebus gestiegen waren. Zwei Attentäter wurden erschossen. Die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) bekannte sich zum Attentat.
Spaziert man durch den Park beim Museum, stösst man auf eine weitere Gedenktafel: Sie ist einem Deutschen Schäferhund der Polizei gewidmet, der beim Anschlag ebenfalls getötet wurde. Was eher erstaunt, weil Hunde laut Koran als unrein gelten und höchstens als Hütehunde geduldet werden.
Das besondere Leben der Katzen in Tunesien
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Katzen sind allgegenwärtig. |
Da haben es die Katzen weitaus besser. Im Islam gelten sie als saubere Tiere, die es verdienen, gut behandelt zu werden. Entsprechend gross ist die Katzenpopulation in Tunis und anderswo. Als ausgesprochene Katzenliebhaberin habe ich das mit Wohlgefallen zur Kenntnis genommen.
Essensreste werden von vielen Leuten vor der Haustüre deponiert. Haben Katzen keine solchen "Lieferanten", werden die überall herumliegenden Abfallsäcke attackiert. Mit der Zeit allerdings hat mir diese dichte Population zu denken gegeben. Alte und kranken Katzen, Katzen nur auf drei Beinen, halb verhungerter Katzennachwuchs - auch das gehörte zum Strassenbild.
Und für Touristinnen und Touristen ohne engen Katzenbezug ebenfalls sehr gewöhnungsbedürftig: In einfacheren Restaurants sitzen immer mal wieder Katzen unter dem Tisch. Der forsche Blick nach oben ist glasklar: "Wirf mal was runter!" Wer das nicht tut, riskiert, dass die Mieze mit ihren Krallen die Tischkante anvisiert oder auf den Schoss raufklettert.
Warum man überall auf römische Säulen stösst
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Gehören zum Stadtbild in Tunesien: Römische Säulen. |
Von den Katzen zurück zu den alten Römern! Auch sie sind im modernen Tunis noch immer allgegenwärtig. Das Stichwort heisst "Spolie" und bedeutet soviel wie "Beute, Raub, dem Feind Abgenommenes". Flaniert man durch die engen Gassen der Altstadt in Tunis oder anderswo, besucht die Innenhöfe von Moscheen: Fast überall trifft man auf Säulen und Kapitelle aus römischer Zeit.
Heute nennt man es Recycling. Die Wiederverwendung von Baumaterialien gehörte jedoch bereits in der Antike, als Baumaterial teuer und meistens knapp war, zu den selbstverständlichen Praktiken des Baubetriebs. Das galt insbesondere für Materialien wie Marmor, die von weit her herangeholt werden mussten. Und so wurden Gebäuderuinen als Steinbruch für Neubauten verwendet. In Tunesien sind Spolien hauptsächlich in Verbindung mit römischen und frühchristlichen Bauwerken und Städten zu finden. Viele Spolien stammen in Tunesien aus den antiken Städten Karthago, Utica und Dougga und wurden in neueren Konstruktionen, wie Moscheen und anderen öffentlichen Gebäuden wiederverwendet.
Kleine Anmerkung: Spolien findet man übrigens auch in Schweizer Kirchen und Klöstern.
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