Sonntag, 25. Mai 2025

Tunesien II: Auf den Spuren der Phönizier, bevor sie vom Römischen Imperium weggefegt wurden.


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So sah Karthago zur Zeit der Phöniziert aus. Der Hafen ist in der in der Bildmitte oben. 



In Karthago, einem nordwestlichen Vorort von Tunis, tauchten wir in die phönizische Hochkultur ein. Die Karthager wanderten ab 1000 vor Chr. aus Phönizien am Ostrand des Mittelmeeres ins heutige Tunesien ein. Geschichte schrieben sie wegen ihrer nautischen Fähigkeiten und ihrem Alphabet.

Die Kunst des Seefahrens erlaubte es ihnen, die Meerenge von Gibraltar zu durchqueren - etwas, was keine anderen Völker rund ums Mittelmeer bisher gewagt hatten. So entdeckten die Phönizier die afrikanische Küste und den lukrativen Handel, der hier betrieben werden konnte. Stichwort: Elfenbein. 

Und zum Alphabet, das wir heue kennen, trugen sie massgeblich bei. Aus ihrem Protoalphabet entstand später das griechische Alphabet, das wiederum das lateinische und andere Alphabete beeinflusste.  


Erhellendes zur Kuhhaut, auf die nichts geht....

Eher ins Reich der Legenden gehört die Gründung der Stadt Karthago. Gemäss römischer Geschichtsschreibung soll Dido, die Tochter eins tyrischen Königs auf der Flucht vor ihrem Bruder den Golf von Tunis erreicht haben. Der Numiderkönig Iarbas versprach ihr dort so viel Land, wie sie mit einer Kuhhaut umspannen könne. 

Dido schnitt daraufhin eine Kuhhaut in dünne Streifen, legte diese aneinander und markierte damit ein Territorium, das die Keimzelle Karthagos gebildet haben soll. Nach der Gründung Karthagos im Jahr 878 v. Chr. habe sich Dido den Göttern selbst auf einem Scheiterhaufen geopfert, um für Wohlstand für die Stadt zu bitten.

Et voilà: Die Legende über Dido gilt als eine der möglichen Erklärungen für die noch heute bei uns gebräuchliche Redewendung "Das geht auf keine Kuhhaut".

Unser Rundgang durch Karthago begann im Hafen, was kein Zufall war. Die Umschreibung von Karthago lautet "ein vor Anker liegendes Schiff". Denn auf dem Schiff beruhte der Reichtum der Karthager. Vom doppelt angelegten Hafen, bestehend aus einem viereckigen Handelsbereich mit Kontoren und einem kreisrunden Kriegshafen ist heute nicht mehr viel übrig geblieben. Teile des Hafens sind verlandet und die Gegend gehört heute zu den bevorzugten Wohnlagen begüterter Tunesier.


Einst eine berühmte Hafenanlage der Phönizier, heute ein Villenviertel. 


Eine Ahnung, wie die beiden Hafenbecken ausgesehen hatten, erhält man auf dem Hügel Byrsa, den die legendäre Dido im Kuhhandel erhalten hatte. 


Eine "Brandstätte" und ihre Geschichte


Die Ausgrabungsstätte Thopet. Wurden hier Kinder geopfert?


Oberste Gottheit war Baal Hammon (lateinisch Saturn). Ebenfalls hoch verehrt wurde die Mondgöttin Thanit (griechisch Artemis). Baal Hammon sollen bis zum 3. Jahrhundert v. Chr.  Menschenopfer dargebracht worden sein. 

In der Nähe des Hafens befand sich das Heiligtum von Tanit und des Baal Hammon. Die Ausgrabungsstätte wird auch Thopet genannt, was "Brandstätte" bedeutet. Unzählige Steine, Stelen und Altäre stehen auf dem grossen Areal. Den Phöniziern war es verboten, Götterstatuen zu errichten, deshalb die Aufbewahrung der Stelen und Steine zur Beschwörung magischer Kräfte. 

Hier soll Dido gelandet sein und sich später auf einem Scheiterhaufen selbst umgebracht haben. Ob hier auch Kinder geopfert wurden, ist unklar. In Urnen fanden Wissenschaftler Reste von Föten und Neugeborenen sowie von Lämmern. Eine These besagt, dass es sich hier lediglich um ein rituelles Zeugnis der hohen Kindersterblichkeit handeln könnte. Die Frühverstorbenen wurden in Form von "Heiligenbildern" geehrt: Ihre stilisierten Gesichter wurden in Steinscheiben geritzt. 

In Karthago wird auch sichtbar, wie die Jahrtausende alte Geschichte rund um das Mittelmeer eine ständige Folge von Eroberungen, Schlachten und Niederlagen war. 

Das reiche Karthago mit Kolonien auf Sizilien, Sardinien und Korsika wurde dem Römischen Reich ab 264 v. Chr. ein Dorn im Auge. In den punischen Kriegen werden die Phönizier geschlagen. 146 v. Chr. verlangte Rom die vollständige Zerstörung von Karthago. Die berühmte Stadt wurde dem Boden gleichgemacht. 50'000 Menschen, die die Angriffe überlebten, wurden von den Römern in die Sklaverei verkauft. 


Karthago: Erst zerstört, dann wieder aufgebaut. 


Unter Caesar und Augustus wurde Karthago zur viertgrössten Stadt des Römischen Imperiums. 


Erst der berühmte Caesar beschloss 46 v. Chr., Karthago wieder aufzubauen. Es war aber dann Kaiser Augustus, der ab 27 v. Chr.  mit dem Wiederaufbau Karthagos als Hauptstadt der römischen Provinz Africa begann. Und so wurde der historische Ort in den nächsten Jahrzehnten mit 300'000 Einwohnerinnen und Einwohnern zur viertgrössten Stadt des Imperiums nach Rom, Alexandria und Antiochia. 

Ab 150 n. Chr. wurde Karthago zum Zentrum des frühen Christentums in Nordafrika. 


Spaziergang durch die einzig erhaltene phönizische Stadt

Nicht weniger wichtig für die phönizische Kultur ist die Stadt Kerkouane auf der Halbinsel Cap Bon im Osten von Tunesien. Die grosse Ausgrabungsstätte gilt als wichtigste von Nordafrika und ist von der UNESCO in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen worden, weil es sich hier um die vermutlich einzige erhaltene phönizische Stadt handelt. Zerstört wurde Kerkouane vom Römischen Reich im ersten punischen Krieg. Danach wurde die Stadt nie wieder aufgebaut. 

Beim Spaziergang durch die Ruinen entdeckten wir Treppen, die auf obere Stockwerke deuten.  Die Häuser waren relativ komfortabel ausgestattet. So stiessen wir immer wieder auf gut erhaltene Badewannen und auf Fussböden, die mit einer Vorform an Mosaiken ausgestattet waren.


Gut erhaltene Badewanne in Kerkouane.


Kairouan, die viertheiligste Stadt des Islam


Für mich nicht minder spannend war der Besuch von Kairouan. Die Stadt gilt als die viertheiligste des Islam nach Mekka, Medina und Jerusalem. Sie ist auch die älteste islamische Stadt im Maghreb. Sie wurde 38 Jahre nach dem Tod des Propheten Mohammed gegründet. Auch werden hier die  Überreste von Abu Djama, einem Gefährten Mohammeds, aufbewahrt.


Die Grosse Moschee von Kairouan im Abendlicht


Die Grosse Moschee, deren Platz der Legende nach schon 670 n. Chr. ausgewählt wurde, ist ein Paradebeispiel für das Recycling von römischen und älteren Säulen. Der imposante, seit dem späten 19. Jahrhundert mit weißem und gelbem Marmor fast vollständig ausgelegte Innenhof ist von Säulengängen mit Hufeisenbögen umschlossen, die auf antiken Doppelsäulen ruhen. 



Hunderte von römischen Säulen säumen den Innenhof der Grossen Moschee. 


Mit den Römern möchte ich den kurzen archäologischen Spaziergang durch Tunesien beenden. Sie machten bei weitem nicht alles platt, wie man aus meinen Ausführungen schliessen könnte.

In Dougga, einer Ausgrabungsstätte zwischen Kairouan und Tunis fiel bereits von weitem ein Turm auf. Er steht leicht unterhalb der imposanten römischen Ruinen, die sich über einen Hügel ziehen. Thugga, wie der Ort auch genannt wurde, erlebte seine Blütezeit  als Teil der römischen Provinz Africa im 3. Jahrhundert n. Chr. 


Turmmausoleum aus numidischer Zeit in der Ausgrabungsstätte von Dougga. 


Beim Turm handelt es sich um ein Pfeilergrabmal, auch Turmmausoleum des Ataban genannt. Es wurde im 2. Jahrhundert v. Chr. von den Numiden erbaut. Ihr Königreich entstand Ende des 3 Jh. v. Chr. Das Mausoleum ist erstaunlich gut erhalten und auch für seine bilingue Inschrift bekannt, die zur Entzifferung der numidischen Schrift führte. 

Warum der Turm bestehen blieb? Vielleicht deshalb, weil die Numiden hervorragende Reiter waren und in den punischen Kriegen erst für die Karthager kämpften, dann aber auf die Seite der Römer wechselten. 










 

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