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Montag, 2. Dezember 2024

Kongo IV: La Princesse Ngalessa



Nächtlicher Empfang auf der "MS Princesse Ngalessa" nach unserer langen Anreise aus Paris. 



Jetzt ist aber höchste Zeit das Schiff vorzustellen, dass uns während 10 Tagen und 9 Nächten auf dem  Kongo und dem  Nebenfluss Sangha  nach Ouésso im Norden bringen wird. Der optisch auffallende Kahn wurde 2017 von einer belgischen Werft in Kinshasa übernommen. 

Das Schiffdesign lehnt sich an die einst auf dem Kongo verkehrenden Passagierschiffe an, welche jahrzehntelang die wichtigsten Städte am Kongo und seinen Nebenflüssen versorgten. 2023 wurde das Schiff aufgefrischt und ist seit 2024 für touristische Expeditionskreuzfahrten im Einsatz. Es soll sich übrigens im Besitz des kongolesischen Innenministers befinden, wie uns auf dem Schiff von der Besatzung zugeraunt wird. Was angesichts der grassierenden Korruption und Selbstbedienungsmentalität im Regierungsapparat kein Wunder wäre.

Weil der Tourismus in der Republik erst in den Anfängen steckt, ist die "Princesse Ngalessa" das einzige Schiff für ausländische Besucher auf dem Kongo. Und wohl auch das einzige modernere Schiff auf dem Kongo. 

Die älteren Passagierschiffe, die einst die Orte am Kongo über Jahrzehnte verbanden, wurden alle ausser Betrieb gesetzt, wohl nicht zuletzt wegen der Bürgerkriege und der bis heute anhaltenden Spannungen zwischen den beiden kongolesischen Nachbarn. Nun rosten die zahlreichen Schiffe im Hafen neben der "Princesse" vor sich hin.


Ausrangierte Passagierschiffe. 
     Die 24 Passagiere und Passagierinnen                         verteilen  sich auf Deck zwei und drei, wo                     sich auch das Restaurant befindet, sowie                     auf  Deck vier, wo die  Bar, die                                     Freiluftlounge sowie die Kapitänsbrücke                     sind. Auf Deck eins arbeiten und wohnen die              21 Angestellten.

     Die Kabine gefällt mir. Naben dem Schlafzimmer         gibt es eine Ankleideraum mit abgetrenntem                Badzimmer. Auf Deck zwei sind vor allem                  Alleinreisende wie ich untergebracht.  




Der lärmige Generator auf Deck zwei (blau) 
Meine gute Laune verfliegt allerdings, als das  Schiff am zweiten Tag die Motoren anwirft und Kurs in den Norden nimmt. Der mächtige Generator, der die zwei Schiffsmotoren antreibt und die Stromversorgung sicherstellt, befindet sich rund 15 m entfernt von meiner Kabine im Heck auf dem gleichen Deck ohne jegliche Lärmdämmung. Eine Installationsweise, die ich auf den vielen Flussschiffen, mit denen ich schon gereist bin, noch nie gesehen habe. Ergebnis: In meiner Kabine zittert das Bett und klappern die Möbel, begleitet von einem hohen Lärmpegel. An Schlaf ist kaum zu denken. Das dauert die ersten zwei Nächte an, weil  das Schiff  mit Volldampf  unterwegs ist. 


Es tröstete mich auch nicht, dass Daniel, unser sympathische junge deutsche Reiseführer und seine holländische Freundin Iris, die für den Hotelbetrieb auf dem Schiff verantwortlich ist, die  hinterste Kabine gleich neben meiner belegen, und damit wohl noch stärker vom Lärm betroffen sind. Offenbar haben sie sich daran gewöhnt.

Auch meine beiden alten Reisekollegen Ursula und Christian fühlen sich auf dem Schiff sehr wohl. Mitgeholfen haben dürfte, dass das Paar eine Kabine auf Deck drei im vorderen Schiffsteil bewohnt und vom Motorenlärm eher wenig mitbekommt. 

Chefkoch Clarence, der im Restaurant gerne flambiert. Die Zürcher Feuerpolizei wäre in heller Aufregen....


Die Küchenmannschaft bietet bei den täglich drei Mahlzeiten stets eine ausgezeichnete Auswahl an französischen, italienischen und kongolesischen Gerichten an, begleitet von Wein und Bier und einer  Auswahl von alkoholfreien Getränken. Auch die Freiluftbar auf dem obersten Deck ist reichlich bestückt mit Aperitif und Digestif.

Die Leistung der Küchenmannschaft und der Kellner ist aus einem weiteren Grund ausserordentlich. Weil es keinen Aufzug von der Küche in das Restaurant gibt, muss alles von Hand über recht steile Treppen von Deck 1 auf Deck 3 hochgetragen werden. 



Im Element: Der Barman mit seiner Beschallungsanlage.


Zur durchwegs guten Laune an Bord trägen wesentlich die kongolesischen Reiseführer bei, denen ihre Arbeit sichtlich Spass macht. 

Zu ihnen gehört beispielsweise der hochgewachsene Arold, der uns sachkundig die Vogelwelt entlang des Flusses und im Urwald näher bringt und die vielen religiösen Strömungen im Kongo aufzeigt.  

Ornithologe und Religionsspezialist Arold (l.) mit Reiseleiter Daniel. 



Seine Kollegen Jordin und Schadrack erweisen sich auf den Landgängen und Urwaldexpeditionen als exzellente Kenner von Bäumen, Schlingpflanzen, Heilpflanzen und giftigen Gewächsen. Sie zeigen uns, wie Maniok angepflanzt und danach in einem mehrtägigen Verarbeitungsprozess zum wichtigsten Grundnahrungsmittel im Kongo verarbeitet wird. Oder wie man im Kongo mit dem Saft einer bestimmten Pflanze seine Arme mit (abwaschbaren) Tattoos verziert. 




Schadrack zeigt uns, was im Urwald alles wächst



Als eher weniger dem Humor zugeneigt erweist sich der Kapitän, ein Hüne von Mann, der seit 26 Jahren auf Schiffen arbeitet. Er begrüsst uns am zweiten Tag auf dem Schiff in einer tadellos sitzenden Uniform und erklärt uns die "MS Princesse Ngalessa" sowie die Sicherheitsmassnahmen, an die wir uns zu halten haben. 


Der Kapitän in voller Montur...



Und dann sehen wir ihn nie mehr in der Uniform. Am liebsten bewegt er sich im weissem Shirt und langer gelber Trainingshose. 



...und im Freizeitlook. 



Zur Schiffsausstattung gehören auch drei Schnellboote, mit denen wir Ausflüge in Nebenarme und seichtere Gewässer machen, sei es auf der Suche nach Flusspferden, von denen wir keines entdecken werden, oder auf der Suche nach Vögeln, wo die Ausbeute reicher sein wird. Mit den Schnellbooten  gehen wir auch zum Besuch von Dörfern, derweil die "Princesse" weiter den Fluss hoch tuckert. 



Zwei der drei Schnellboote, die für Ausflüge eingesetzt werden. 


Und hier noch ganz zum Schluss der Schiffsbetrachtung: Zweiter sehr gewöhnungsbedürftiger Umstand neben dem Maschinenlärm ist der Umstand, dass die Wifi-Einrichtungen zwar vorhanden sind, aber keine Verbindung aufgebaut werden kann, weil es offenbar mit den Satellitenkontakten nicht klappt. Das wird hart für einen News-Junkie wie mich....






Kongo I: Wer nach Brazzaville reist, kann zwei Rekorde feiern



Ein Fluss, zwei Hauptstädte: Brazzaville (o.l.) und Kinshasa (u.l.). Bild Nasa

Als mir zwei alte Reisefreunde vor längerem mitteilten, dass sie eine Flussfahrt auf dem Kongo planten, war ich sofort dabei. Zentralafrika war bis zu diesem Zeitpunkt einer meiner vielen buchstäblich weissen Flecken auf der Landkarte des schwarzen Kontinents. 

Unsere Reise begann am 7. November 2024 mit dem Flug von Paris Charles De Gaulle nach Brazzaville Maya-Maya mit der Air France A722. Weil ich das Kleingedruckte auf dem elektronischen Ticket nicht genau studiert hatte, realisierte ich erst auf dem Flug, dass unsere A350-900 zuerst in Kongo Kinshasa zwischenlanden würden. 

Auch gut, sagte ich mir, dann hätte ich wenigstens einen Fuss in die beiden Staaten des Kongo gesetzt, die auseinander zu halten, nicht nur mir schwerfällt. Welches ist die Demokratische Republik Kongo? Und auf welcher Uferseite liegt die Republik Kongo? Weil das so tricky ist, spricht man der Einfachheit halber nur noch von Kongo-Brazzaville und Kongo-Kinshasa

Die Trennlinie zwischen den beiden Staaten ist der Kongo, der mit 4374 km zweitlängste Strom Afrikas. Unser finales Reiseziel Brazzaville, die Hauptstadt der Republik Kongo liegt auf der nördlichen Seite, Kinshasa, die Hauptstadt der Demokratische Republik Kongo auf der südlichen Seite. 


Die Air-France-Maschine im Anflug auf Kinshasa und Brazzaville. Rekord Nr. 1: Nirgends auf der Welt liegen zwei Hauptstädte so nahe beieinander. 

Tönt kompliziert, wird uns in den nächsten zwei Stunden jedoch die einmalige Möglichkeit bieten, gleich zwei Rekorde zu brechen. Rekord Nummer 1: Weltweit gibt es keine zwei Hauptstädte, die so nahe beieinander liegen wie Kinshasa und Brazzaville. Die zwei Metropolen liegen 4,7 km auseinander.  

Daraus folgt zwingend der zweite Rekord. Die Flugdauer zwischen dem N'Djili Airport in Kinshasa dauert nach dem Start bis zum Touch-down auf dem Flughafen Maya-Maya in Brazzaville genau 10 Minuten. Es dürfte sich weltweit um den kürzesten Flug in der kommerziellen Aviatik handeln. 

Unser Pech: Weil der Flug so kurz ist, können wir nicht mit Champagner auf die Rekorde anstossen....


Rekord Nr. 2: Die Flugzeit zwischen den beiden Hauptstädten dauert ganze 10 Minuten. 

Auf der Fahrt vom Flughafen Maya-Maya zur Anlegestelle unseres Flussschiffes "MS Princesse Ngalessa" am Kongo blicken wir auf die nächtlich erleuchtete Skyline von Kinshasa auf der anderen Flussseite. Mit 16,32 Millionen Einwohnern ist es die zweitgrösste Stadt Afrikas, im Land leben über 100 Millionen Menschen. Brazzaville rangiert mit 2,14 Millionen Personen hingegen weit hinten in der Statistik afrikanischer Metropolen, der Staat zählt lediglich 6 Millionen Einwohner.  

Obwohl die beiden Staaten einst zum riesigen Königreich Kongo gehörten und somit Sprache und Kultur teilen, sind sie sich seit der Unabhängigkeit 1960 fremd geworden. Der Afrikakorrespondent der NZZ verglich die beiden Städte einst mit zwei verfeindeten Geschwistern, die Seite an Seite leben müssen.

Was natürlich zu allerlei Merkwürdigkeiten führt. So gibt es noch immer keine einzige Brücke, die die beiden Millionenstädte verbinden würde. Dies, obwohl über den Bau der Brücke seit Jahren verhandelt wird. Ergebnis: Wer auf die andere Seite will, muss weiterhin eine Fähre benutzen. 

Fehlt es an Geld? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Für den Bau einer 1,5 km langen Brücke mit Strassen, einer Bahnlinie und abgetrennten Fussgängerwegen stellten die Afrikanische Entwicklungsbank und weitere Organisationen 2019 ein Finanzpaket von 550 Millionen Dollar in Aussicht. 


Der Ponst du Djoué, ein Prestigeprojekt ohne grossen Nutzen. 

Dafür wurde eine andere Brücke realisiert: Der "Pont du Djoué", eine 2,5 km lange und überaus elegante Stahlseilbrücke direkt am Kongo-Ufer. Sie führt über einen kleinen Nebenfluss des Kongo und verbindet zwei Stadtquartiere von Brazzaville. Der einzige Zweck der nachts pompös beleuchteten Brücke sei es, die Machthaber drüben in Kinshasa zu ärgern, frotzeln die Menschen in Brazzaville, von denen die meisten tagtäglich ums wirtschaftliche Überleben kämpfen müssen. 

Die Prunkbrücke wurde übrigens von China mitfinanziert. Wo das Reich der Mitte sonst noch seine Finger drin hat, soll in einem späteren Blog-Beitrag gezeigt werden.  










Kongo IX: Auf Abschiedstour mit den Pygmäen

Der zweitletzte Tag im Kongobecken gehört ganz der autochthonen Bevölkerung, wie die Pygmäen politisch korrekt genannt werden müssen. Diese ...