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Montag, 2. Dezember 2024

Kongo VII: Eine rätselhafte Brücke blockiert unsere Fahrt nach Ouésso


Die ominöse Brücke, die jede Weiterfahrt verunmöglicht. 

Gemäss Programm führt unsere Reise von der Grenzstadt Ouésso aus mit den drei Schnellbooten auf dem Sangha zum Dreiländereck Kamerun - Zentralafrikanische Republik - Republik Kongo und weiter in die Zentralafrikanische Republik. Unser Ziel: Der Nationalpark Dzanga Sangha, wo wir drei Nächte in einer Lodge verbringen werden.  

Rund 5 km vor Ouésso versperrt eine überaus kuriose Brücke die Weiterfahrt. Sie ist so tief angelegt, dass selbst kleinere einheimische Transportschiffe keine Durchfahrtmöglichkeit mehr haben. 


Die Mannschaft sieht sich gezwungen,  die Aufbauten auf unseren Schnellbooten zu demontieren. Mit eingezogenen Köpfen dirigieren die Bootsführer die drei Boote unter der Brücke hindurch, die Dachaufbauten werden derweil über Land getragen und auf der anderen Seite wieder montiert. 







Ich nutze die Freizeit und spaziere zur Brücke. Auf beiden Seiten sind Sperren angebracht, die jedoch leicht geöffnet werden können. An beiden Brückenenden sind keine ausgebauten Zufahrtstrassen zu erkennen. 

Der gesamte Bauplatz wirkt verlassen.                                                                                                     




Auf unserer Seite steht ein abgetakelter Bagger. Er löst wenigstens ein Rätsel: Er gehört der China Road and Bridge Corporation (CRNC), wie ich auf dem Ungetüm lese. Womit klar wird, dass hier war die chinesische Regierung am Wirken war - oder noch immer ist - wie fast überall in Afrika. 






Der einsame Bagger bekommt eine neue Aufgabe zugewiesen: An ihm wird kurzerhand die "Princesse" an einem langen Stahlseil "verankert". 

Der Kapitän, heute nicht in seiner gelben Hose unterwegs, scheint mit der Vorgehensweise einverstanden zu sein.














Die Lösung des Rätsels habe ich ebenfalls erst nach meiner Rückkehr in die Schweiz lösen können. Demnach soll an dieser Stelle eine 616 m lange Brücke entstehen, welche über eine ebenfalls noch zu bauende geteerte Zufahrtstrasse von 47 km Länge die beiden Städte Ouésso und Pokola verbinden wird. 

Wie erinnerlich: In Pokola steht das grösste Holzverarbeitungswerk der Republik mit rund 30'000 Einwohnern. 

Der Auftrag ging für die Dauer von drei Jahren an den chinesischen Staatskonzern CRBC. Finanziert werden sollte das Projekt durch die Entwicklungsbank der Zentralafrikanischen Staaten. Gesamtkosten: 160 Millionen Dollar.

Am 20. Mai 2023 schritt Präsident Denis Sassou Nguesso im pompösen Outfit, einen kunstvollen Ebenholzspazierstock in der Hand, in Ouésso über den Roten Teppich, umgeben von Militärs und Ministern, um den Grundstein für das Infrastrukturprojekt zu legen. 

Die Chinesen stellten danach schon mal die kuriose Brücke hin. Diese, so las ich weiter, ist lediglich eine Konstruktionshilfe für den Bau der richtigen Brücke über den Sangha. Doch nun läuft vorderhand nichts mehr. Der Grund dafür, wie im August dieses Jahres bekannt wurde: Die Entwicklungsbank ist 18 Monate nach Baubeginn im Verzug mit den Auszahlungen - und dies nicht nur bei diesem Projekt. 

Wird das Vorhaben jemals ein erfolgreiches Ende finden? Auf jeden Fall dürfte vorerst auch keine Hilfe  aus China kommen. Seit Monaten reduziert Peking seine Kreditvergabe deutlich. Denn auch Chinas Wirtschaft kommt nicht in Gang und die chinesischen Kommunen haben selber enorme Schuldenprobleme.





Die gravierenden Folgen tragen die kleinen und grossen Unternehmen entlang des Sangha Rivers, wie wir in Ouésso beobachten können. Eine einzige in die Jahre gekommene Fähre verbindet die Stadt mit dem gegenüberliegenden Ufer. Eine zweite Fähre, die halb umgekippt an Land liegt, scheint schon lange nicht mehr in Betrieb zu sein. 

Pro Fahrt über den Fluss kann lediglich ein 
Schwertransporter aufgeladen werden. 



 

Die Anlegestelle auf der anderen Flussseite, die Zufahrtsstrasse ist eine Piste. 

Die Lastwagen stauen sich bis zu vier Tage auf beiden Flussseiten, bis sie mit der Fähre rüber können.  










Und hier noch ein Nachtrag: Im Juli/August 2024 wollte die "Princesse" mit 26 Gästen an Bord von Ouésso nach Brazzaville fahren. Nur wenige Kilometer nach dem Start blieb sie auf einer Sandbank stecken. Nach zwei Tagen zeigte sich: Das Schiff ist nicht zu deblockieren. Die Gäste wurden an Land verfrachtet und mussten auf der Strasse die "Flussreise" machen. 

Daniel Ducrot, der Besitzer des Reisebüros, das die "Princesse" gechartert hat, soll laut einem Artikel in der FAZ vom 10. Oktober bei den Baubehörden der Brücke um einen Baustopp gebeten haben. Wegen des steigenden Wasserpegels bestand Hoffnung, dass das Schiff bald wieder manövrierfähig sein würde. Andernfalls wäre die "Princesse" für immer hinter der Brücke eingesperrt gewesen. 

Und so geschah es, das Schiff kam schliesslich kurze Zeit danach frei. Die Brücke wurde vollendet und liegt nun im Dornröschenschlaf....


Kongo VI: Schnappschüsse von einer langen Flussreise


Abendstimmung auf dem Kongo. 

So mächtig der Kongo ist - im Vergleich zu anderen Flüssen tut sich vergleichsweise wenig auf dem Wasser.  

Als ich im Oktober ebenfalls auf einem Passagierschiff in Nordvietnam den Roten Fluss von der Einmündung ins Meer bis zur Hauptstadt Hanoi im Landesinnern bereiste, herrschte Tag und Nacht in beiden Richtungen ein starker Warenverkehr auf dem Strom, der in China entspringt. 

Auf dem Kongo begegnet man auf weiten Strecken nur Fischern in ihren Pirogen. Und gelegentlich setzen grössere Pirogen mit einigen Passagieren von einem Ufer ans andere über. 

Geschäftiger wird der Verkehr meist nur in der Nähe von grösseren Orten. Dann erblickt man in die Jahre gekommene Flussschiffe, die nach unserer Einschätzung völlig überladen mit Waren und Menschen vorbeituckern. 

Hier einige Schnappschüsse. 


Kommt uns im strömenden Regen und mit dicker Abgaswolke entgegen. 




Zu den Gepflogenheiten auf dem Kongo gehört, dass man sich höflich zuwinkt, wenn man sich kreuzt. Gelegentlich wird allerdings auch die Faust gemacht - dann, wenn die kleinen Transporter durch die Bugwellen der "Princesse" und vor allem durch unsere Schnellboote gefährlich ins Wanken geraten. 








Vollbepackter Personen- und Gütertransporter. Im behelfsmässigen Wellblechaufbau im Heck des Schiffes befindet sich die Toilette. 

 

Auch im Zusammenbinden von schwimmenden Transportern beweisen die Kongolesen eine grosse Phantasie. 





In der alten Kolonialstadt Mossaka herrscht an der Anlegestelle absoluter Dichtestress. Überladene Frachter entladen hier Ware oder laden neue auf. Die Händlerinnen und Händler leben hier auf engstem Raum zusammen.





 

Der Mann und seine vier Hunde, die er für die Jagd einsetzt, haben es da vergleichsweise gemütlich. 






Nach Mossaka biegt die "Princesse" in den Sangha-Fluss ein, auf dem wir die nördlichste Stadt von Kongo-Brazzaville erreichen werden: Ouésso, die Grenzstadt zum Nachbarstaat Kamerun. Der Ort liegt im Kongo-Becken, wo der zweitgrösste Regenwald der Welt stehen soll. 

Wie im Amazonas, so fräsen sich allerdings auch hier die Motorsägen unerbittlich durch die Wälder. Im Ort Pokala am Sangha tuckern wir am grössten Holzverarbeiter  der Republik Kongo vorbei. Auf einem riesigen Gelände lagern gefällte Bäume. In grossen Produktionshallen werden die Tropenhölzer verarbeitet zu Produkten für die Möbel- und Bauindustrie. 

An einer Quaimauer lese ich das Kürzel "CIB". Auch dieses Rätsel kann ich erst lösen, nachdem ich wieder Internetverbindung habe. "Congolaise Industrielle des Bois". 


 
Kleiner Ausschnitt aus der immensen Anlage in Pokala.


Das Unternehmen gehört mehrheitlich der Investmentfirma Temasek in Singapur, die der Regierung des asiatischen Stadtstaates gehört. Dazwischen geschaltet ist das börsenkotierte Unternehmen Olam Agri, ein Lebensmittel- und Agrarunternehmen, das in 60 Ländern tätig ist und weltweit Kunden mit Lebensmitteln und Industrierohstoffen beliefert. Dazu gehören unter anderem Kakaobohnen und -produkte, Kaffee, Baumwolle und Reis. Und eben Tropenhölzer. 

Das Rohstoffunternehmen hat auch eine Vertretung in der Schweiz namens Olam Global Agri Swiss mit Sitz in Nyon.

Und schliesslich gibt es auf einem Schiff auch immer mal wieder etwas zu feiern. Zum Beispiel am 11. November. Um 19.15 überqueren wir den Äquator und die Mannschaft lässt die Korken knallen, auf dass wir alle miteinander anstossen können.  








 







 









V


 



Kongo II: Brazzaville, wo Helden gefeiert werden und das Volk darbt


Kathedrale Sainte-Anne


Unsere erste Besichtigungstour durch Brazzaville startet bei der Kathedrale Sainte-Anne, die in den Vierzigerjahren von einem französischen Architekten erbaut wurde und zu den vielen noch heute sichtbaren Erbschaften aus der französischen Kolonialzeit gehört. In der 1886 errichteten Diözese Brazzaville leben laut Vatikanangaben heute rund 600'000 Katholiken, was einem Bevölkerungsanteil von rund 57 Prozent entspricht. 


Kirchenstühle für Ehrengäste


Beim Spaziergang durch die Kathedrale entdecke ich in einer Ecke ein Bild von Kardinal Emile Bianyenda. Nach dem Studium der Katholischen Theologie in Brazzaville und Lyon arbeitete sich der Geistliche ab 1959 vom Pfarrer bis zum Kardinal hoch. Er war erst 50 Jahre alt, als er 1977 während des Bürgerkriegs, der damals in der Republik Kongo tobte, entführt und ermordet wurde. Mitte der 90er Jahre wurde er selig gesprochen. 

Von einer anderen Scheibe blickt General de Gaulle mit strengem Blick hinunter. 


Der Kardinal, der mit 50 entführt und ermordet wurde. 


Rund um die Kirche wimmelt es von Heiligenbildern und Gebetsecken in Grottenform. Ich kann es mir - obwohl Atheistin - nicht verklemmen: Besonders prominent wird hier die Hl. Rita dargestellt. 

Was eine elegante Überleitung zu einem anderen Heiligen ermöglicht. 


Gab der Hauptstadt seinen Namen: Pierre Savorgnan de Brazza. 


Er heisst Pierre Savorgnan de Brazza. Der 1852 in Rom geborene Mann wurde Marineoffizier und machte sich später als Afrikareisender im Auftrag Frankreichs einen Namen. 

De Brazza gilt als sehr seltene Gestalt unter den frühen Kolonialisten in Afrika, weil er seinen Reichtum ohne Gewaltanwendung zusammengetragen haben soll. 

Das dürfte mit ein Grund gewesen sein, weshalb ihn die französische Regierung aus dem Ruhestand holte und nach Französisch-Kongo schickte, wo er abklären sollte, was es mit den Anschuldigungen von Gräueltaten an Afrikanern, begangen durch französische Soldaten und Firmen, auf sich hatte. 

De Brazza sammelte zahlreiche Hinweise auf brutale Praktiken und schrieb dies auch nieder. Seine Berichte nach Paris wurden aber auf Anweisung der französischen Regierung geheim gehalten. 

Und hier mache ich als Bahnjournalistin im Ruhestand eine ganz grosse Klammer auf, denn meine Neugierde war geweckt. Der Skandal betraf vor allem den Bau der Chemin de fer Congo-Océan. Die Bahnlinie sollte Brazzaville mit der Hafenstadt Pointe-Noir am Atlantik verbinden.  


Gleis der einzigen Bahn in der Republik Kongo. 

Fündig geworden bin ich in einem 2021 veröffentlichten dicken Wälzer mit dem Titel: "In the Forest of No Joy: The Congo-Ocean Railroad and the Tragedy of French Colonialism", der in der kleinen, aber feinen Bibliothek auf der "MS Princesse Ngalessa" aufliegt. Darin zeichnet der US-Historiker J.P. Daughton den Bau der 510 km langen Eisenbahnlinie in allen Details nach. Vieles fusst auf den geheim gehaltenen Erkenntnissen von de Brazza. 

Kürzestzusammenfassung: Bei dem von Frankreich in den 20er Jahren angeordneten Bau der Eisenbahnlinie kam es zu kaum vorstellbaren Gräueltaten. Der französische Gouverneur und die mit dem Bau beauftrage Pariser Firma "Société de construction des Batignolles" (SCB) hatten zwar keine Ahnung von den geografischen Besonderheiten der geplanten Strecke. Was sie jedoch genau wussten: Die Bahnverbindung sollte so wenig wie möglich kosten. 

Ergebnis: Für den Bau von 1921 bis 1934 wurden grösstenteils Zwangsarbeiter eingesetzt. Sie erhielten weder Lohn noch medizinische Versorgung und mussten meist selber für ihre Nahrung sorgen. Das hatte zu Folge, dass die Menschen wegen Unterernährung, Arbeitsunfällen und Tropenkrankheiten umkamen. Die Bilder von zu Skeletten abgemagerten Frauen und Männer im Buch, die aus französischen Quellen stammen, sind nur schwer auszuhalten. 

Teilweise starben in einem Jahr über 30 Prozent der neu rekrutierten Arbeiter. Die mit der Suche nach neuen Zwangsarbeiter beauftragten Franzosen mussten in immer entfernteren Gegenden in Zentralafrika nach "Arbeitern" suchen. 

Nach offiziellen Angaben kamen gegen 20'000 Menschen beim Bau um. Nach inoffiziellen Schätzungen sollen es gegen 60'000 Menschen gewesen sein. 


Und wie geht es der Bahn heute?


Güterzug in Pointe-Noir. Das Bild stammt von 2018.  


In den letzten Jahren kam es immer wieder zu schweren Eisenbahnunfällen mit teilweise weit über 100 Toten wegen maroder Infrastrukturanlagen, überladenen Güterzügen und menschlichem Versagen. 

Über mehrere Jahre hinweg fuhr überhaupt keine Bahn mehr, weil bei politischen Unruhen Brücken gesprengt worden waren. In den lokalen Zeitungen beklagen sich immer wieder Reisende über die schlimmen hygienischen Zustände in den völlig veralteten Zügen.  

Bei der Stadtbesichtigung könnte man die Existenz dieser Bahn glatt übersehen. Zufälligerweise fährt unser Auto über ein einsames Gleis und der Fahrer fährt netterweise noch beim Bahnhof von Brazzaville vorbei, wo praktisch nichts los ist. 


Der Bahnhof von Brazzaville.

War's das mit der Bahn? Nein. 2007 unterzeichnete eine Firmengruppe namens "Congo Malaysia Korea Consortium" einen Vertrag mit der Regierung zur Erweiterung der Bahnlinie nach Ouésso, das 1000 km nördlich der Hauptstadt liegt. Im Gegenzug erhielt Südkorea, das hinter der Gruppe steht, eine 30-jährige Konzession für die Erschliessung und Vermarktung von Gas, Eisenerz und vor allem Tropenholz. 

Über die angekündigte Erweiterung der Bahnlinie habe ich trotz intensiver Suche keinerlei Hinweise gefunden. 

Und wie ging es mit Pierre Savorgnan de Brazza weiter? Nachdem er seinen Bericht über die Greueltaten der französischen Eisenbahnbauer erstellt und hatte, erkrankte er auf seinem Rückweg nach Frankreich an Fieber und verstarb 1905 mit 53 Jahren in Dakar (Senegal). Gerüchten zufolge soll er vergiftet worden sein. Honi soi que mal y pense!

Sein Leichnam wurde nach Paris überführt und mit einem Staatsbegräbnis auf dem Friedhof Père-Lachaise geehrt. Später wurden seine sterblichen Überreste nach Algerien gebracht.


Kostete viel Geld: Das Marmormonument für Pierre Savorgnan de Brazza 

Erst 2006 wurde der italienische Seefahrer in französischen Diensten von der Regierung in Brazzaville aus der Ecke des Vergessens geholt. Seine Asche wurde aus Algerien nach Brazzaville überführt. 

Für die umgerechnet enorme Summe von 10 Millionen Franken wurde am 3. Oktober ein beeindruckendes Marmormausoleum eingeweiht. Zu den Gästen, die der Einladung von Denis Sassou Nguesso, dem langjährigen Staatspräsidenten der Republik Kongo folgten, gehörte unter anderem der französische Präsident Jacques Chirac. 

Und heute? Die wenigen Besucherinnen und Besucher können die Statue von de Brazza im kleinen Park bewundern, sich an den tropischen Blumen erfreuen und dann die Marmorhalle betreten, wo Infotafeln über das Leben von de Brazza informieren. 

Das Untergeschoss, wo de Brazzas Asche in einem nicht minder pompösen Grab ruht, darf man aber nicht besuchen. Warum? Keine Ahnung. 



Die Wirtschaftslage für die Bevölkerung ist prekär: Bei den Tankstellen stauen sich die Autos. 

Das reale Brazzaville hat mit ganz anderen Problemen zu kämpfen. Vor den Tankstellen stehen seit Monaten lange Warteschlangen. Automobilisten berichten  in lokalen Medien, dass sie Stunden, ja gar ganze Nächte vor Tankstellen verbringen müssen, um zu tanken. Mit ein Grund: Die Angestellten der Congo Ocean Railway, wie die staatliche Bahngesellschaft heute heisst, befinden sich im Streik. Auf der Strecke Pointe Noir-Brazzaville wird ein Grossteil der Erdölprodukte transportiert. 

Seit Monaten leidet die Hauptstadt unter Knappheiten aller Art. Stromausfälle bei Temperaturen zwischen 25 bis 33 Grad setzen Klimaanlagen ausser Betrieb, die unter anderem für die Sicherung der Nahrungsmittelversorgung wichtig sind. Folge: Lebensmittel und Frischprodukte wie Fleisch und Fisch müssen weggeworfen werden, was die Lebensmittelpreise erhöht.  

Unternehmen weichen wegen Strommangels auf Generatoren aus, die mit Diesel betrieben werden. Der Leiter eines IT-Dienstes erklärt, dass er statt der umgerechnet 46 Euro pro Tag nur noch noch 9 bis 10 Euro verdiene.  

Weil Busse nur mit grosser Verspätung fahren, haben Taxis Hochbetrieb - allerdings zu hohen Preisen. Sie tanken bei illegalen Benzinverkäufern, die ihre Preise laut Medienberichten nach ihrem Gutdünken festlegen. 

Der Witz an dieser Sache: Kongo-Brazzaville ist der viertgrösste Ölförderer Afrikas und trotzdem seit Jahren hoch verschuldet. Als Hauptgrund gilt die Korruption und Selbstbedienungsmentalität unter dem Regime von Langzeitpräsident Denis Sassou Ngesso. 


Denis Sassou Nguesso, Kongos Präsident (r.) und sein Sohn Denis-Christel (l.). 

Direktor der Nationalen Erdölgesellschaft ist Denis-Christel Sassou Nguesso, der Sohn des Präsidenten. Im Volk wird er "Kiki le pétrolier" genannt. Sein luxuriöser Lebenswandel ist berüchtigt. 2007 enthüllte die britische NGO Global Witness, wie der Präsidentensohn in einem einzigen Jahr hunderttausende Dollar für Luxuskäufe in Paris, Dubai und Marbella verprasste. 

Laut  Gobal Witness soll er insgesamt 50 Millionen Dollar aus der Staatskasse abgezweigt haben. Sein Versuch, die NGO vor ein britisches Gericht zu ziehen, misslang. Im Juli 2016 wurden in Frankreich und in den USA Vermögenswerte von ihm beschlagnahmt. Auch in der Schweiz kam es zu Beschlagnahmungen. 

Geschadet hat es dem Präsidentensohn kaum. Inzwischen ist er kongolesischer Minister für Internationale Kooperationen und damit weiterhin sehr nahe an den Geldtöpfen.    






 








 


 













Kongo I: Wer nach Brazzaville reist, kann zwei Rekorde feiern



Ein Fluss, zwei Hauptstädte: Brazzaville (o.l.) und Kinshasa (u.l.). Bild Nasa

Als mir zwei alte Reisefreunde vor längerem mitteilten, dass sie eine Flussfahrt auf dem Kongo planten, war ich sofort dabei. Zentralafrika war bis zu diesem Zeitpunkt einer meiner vielen buchstäblich weissen Flecken auf der Landkarte des schwarzen Kontinents. 

Unsere Reise begann am 7. November 2024 mit dem Flug von Paris Charles De Gaulle nach Brazzaville Maya-Maya mit der Air France A722. Weil ich das Kleingedruckte auf dem elektronischen Ticket nicht genau studiert hatte, realisierte ich erst auf dem Flug, dass unsere A350-900 zuerst in Kongo Kinshasa zwischenlanden würden. 

Auch gut, sagte ich mir, dann hätte ich wenigstens einen Fuss in die beiden Staaten des Kongo gesetzt, die auseinander zu halten, nicht nur mir schwerfällt. Welches ist die Demokratische Republik Kongo? Und auf welcher Uferseite liegt die Republik Kongo? Weil das so tricky ist, spricht man der Einfachheit halber nur noch von Kongo-Brazzaville und Kongo-Kinshasa

Die Trennlinie zwischen den beiden Staaten ist der Kongo, der mit 4374 km zweitlängste Strom Afrikas. Unser finales Reiseziel Brazzaville, die Hauptstadt der Republik Kongo liegt auf der nördlichen Seite, Kinshasa, die Hauptstadt der Demokratische Republik Kongo auf der südlichen Seite. 


Die Air-France-Maschine im Anflug auf Kinshasa und Brazzaville. Rekord Nr. 1: Nirgends auf der Welt liegen zwei Hauptstädte so nahe beieinander. 

Tönt kompliziert, wird uns in den nächsten zwei Stunden jedoch die einmalige Möglichkeit bieten, gleich zwei Rekorde zu brechen. Rekord Nummer 1: Weltweit gibt es keine zwei Hauptstädte, die so nahe beieinander liegen wie Kinshasa und Brazzaville. Die zwei Metropolen liegen 4,7 km auseinander.  

Daraus folgt zwingend der zweite Rekord. Die Flugdauer zwischen dem N'Djili Airport in Kinshasa dauert nach dem Start bis zum Touch-down auf dem Flughafen Maya-Maya in Brazzaville genau 10 Minuten. Es dürfte sich weltweit um den kürzesten Flug in der kommerziellen Aviatik handeln. 

Unser Pech: Weil der Flug so kurz ist, können wir nicht mit Champagner auf die Rekorde anstossen....


Rekord Nr. 2: Die Flugzeit zwischen den beiden Hauptstädten dauert ganze 10 Minuten. 

Auf der Fahrt vom Flughafen Maya-Maya zur Anlegestelle unseres Flussschiffes "MS Princesse Ngalessa" am Kongo blicken wir auf die nächtlich erleuchtete Skyline von Kinshasa auf der anderen Flussseite. Mit 16,32 Millionen Einwohnern ist es die zweitgrösste Stadt Afrikas, im Land leben über 100 Millionen Menschen. Brazzaville rangiert mit 2,14 Millionen Personen hingegen weit hinten in der Statistik afrikanischer Metropolen, der Staat zählt lediglich 6 Millionen Einwohner.  

Obwohl die beiden Staaten einst zum riesigen Königreich Kongo gehörten und somit Sprache und Kultur teilen, sind sie sich seit der Unabhängigkeit 1960 fremd geworden. Der Afrikakorrespondent der NZZ verglich die beiden Städte einst mit zwei verfeindeten Geschwistern, die Seite an Seite leben müssen.

Was natürlich zu allerlei Merkwürdigkeiten führt. So gibt es noch immer keine einzige Brücke, die die beiden Millionenstädte verbinden würde. Dies, obwohl über den Bau der Brücke seit Jahren verhandelt wird. Ergebnis: Wer auf die andere Seite will, muss weiterhin eine Fähre benutzen. 

Fehlt es an Geld? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Für den Bau einer 1,5 km langen Brücke mit Strassen, einer Bahnlinie und abgetrennten Fussgängerwegen stellten die Afrikanische Entwicklungsbank und weitere Organisationen 2019 ein Finanzpaket von 550 Millionen Dollar in Aussicht. 


Der Ponst du Djoué, ein Prestigeprojekt ohne grossen Nutzen. 

Dafür wurde eine andere Brücke realisiert: Der "Pont du Djoué", eine 2,5 km lange und überaus elegante Stahlseilbrücke direkt am Kongo-Ufer. Sie führt über einen kleinen Nebenfluss des Kongo und verbindet zwei Stadtquartiere von Brazzaville. Der einzige Zweck der nachts pompös beleuchteten Brücke sei es, die Machthaber drüben in Kinshasa zu ärgern, frotzeln die Menschen in Brazzaville, von denen die meisten tagtäglich ums wirtschaftliche Überleben kämpfen müssen. 

Die Prunkbrücke wurde übrigens von China mitfinanziert. Wo das Reich der Mitte sonst noch seine Finger drin hat, soll in einem späteren Blog-Beitrag gezeigt werden.  










Kongo IX: Auf Abschiedstour mit den Pygmäen

Der zweitletzte Tag im Kongobecken gehört ganz der autochthonen Bevölkerung, wie die Pygmäen politisch korrekt genannt werden müssen. Diese ...