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Montag, 2. Dezember 2024

Kongo III: Aussehen wie ein britischer Dandy? Die Sapeurs aus Brazzaville können das noch viel besser.


Die Kongo-Dandys tauchen auf. 

So bedrückend vieles in der Republik Kongo anmutet - es gibt auch eine glänzende Seite. Und die ist wörtlich zu nehmen. Die Sapeurs sind eine Wucht, wie wir begeistert feststellen, als sie uns auf dem Schiff besuchen. 

Vier Dandys tänzeln im Dreiteiler, glänzenden Lederschuhen, mit Hut und Spazierstock, Tabakpfeife und Sonnenbrille über den Schiffssteg, obwohl es regnet. Nur ihr Chef folgt ihnen mit Abstand im farbigen Freizeitlook 


Als sie auf dem Deck erscheinen, erkennen wir, dass auch zwei Frauen dazu gehören. Das Motto der Truppe:  Sich so exaltiert wie nur möglich in Pose werfen. Eine der Frauen knallt die Fersen in kuriosere Weise zusammen und harrt in dieser Stellung eine gefühlte Ewigkeit aus, das Designerjackett ist aufgeklappt, damit man das Label von Versace & Co. sehen kann, der Blick betont ausdruckslos. Und hier ein Video dazu. 
        
Sie alle gehören der "Union de la Sape" mit Sitz in Brazzaville an. Die Wurzeln dieser Bewegung reichen in die Kolonialzeit zurück. Die Menschen bewunderten Studenten und Intellektuelle, die von einem Aufenthalt in Paris völlig verwandelt heimkehrten, im Nadelstreifenanzug, mit Hut, Brille, Lederschuhen, Spazierstock. Den Stil der weissen Bourgeoisie zu imitieren, war angesag

Als bien sapé, elegant gekleidet, wurden die Nachahmer  selbst zum Vorbild junger Männer, die sich  in den 1970er Jahren, den Namen "Sapeurs" gaben und, eine Dekade später, in "La Sape" zusammenfanden: der "Société des Ambianceurs et des Personnes Elégantes". 

Am liebsten präsentieren sich die Dandys zum Song "Proclamation" von Papa Wemba, der als König der kongolesischen Rumba gilt. Der Song handelt von einem jungen Mann, der sein Studium in Paris hinschmeisst, Geld verdient und sich eine teure Garderobe zulegt, um sich vor den Damen in der Heimat als Pariser Monsieur in Szene zu setzen. 

Wemba war selber Sapeur. Von ihm soll der Spruch stammen, dass die Weissen zwar bestimmte Typen von Kleidungsstücken erfunden haben. Aber erst die Afrikaner hätten aus der Art, sie zu tragen, eine Kunst gemacht. 




Die Imitation französischer Eleganz hat sich durch grelle Farbkombinationen und theatralisches Auftreten, zu einem eigenen afrikanischen Stil entwickelt. Wer sich exklusiv kleidet, beweist allen, dass er trotz alle Widrigkeiten Herr seines Schicksals geblieben ist. Erst die "griffes", die Designermarken aus Frankreich oder Italien, sind die Trophäen, die das Wunder der Verwandlung schaffen. 

Auch hier gilt Papa Wemba als Trendsetter. Anfang der 1980er Jahre rebellierte er in Kinshasa auf dem anderen Kongo-Ufer gegen die vom damaligen Diktator Mobutu ausgerufene Kampagne der Reafrikanisierung. Mobutu wollte westliche Kleidung, sogar BHs und Krawatten, verbannen. 

Mit Armani-Anzügen, deren Etikett er provokativ dem kreischenden Publikum hinhielt, rebellierte  Papa Wemba dagegen - aus den Sapeurs wurde plötzlich eine politische Bewegung. 

Der Dandy-Look wird heute auf beiden Seiten des Kongo respektiert. Jeder kann mitmachen. Allerdings, so betont der Chef der kleinen Truppe auf dem Schiff, sollte man ein Gespür für Stil mitbringen. Dazu gehöre es, nicht mehr als drei Farben zu tragen. Daran hält auch er sich, obwohl im Freizeitlook gewandet.


Stilvoller Abgang vom Schiff. 



Kongo IV: La Princesse Ngalessa



Nächtlicher Empfang auf der "MS Princesse Ngalessa" nach unserer langen Anreise aus Paris. 



Jetzt ist aber höchste Zeit das Schiff vorzustellen, dass uns während 10 Tagen und 9 Nächten auf dem  Kongo und dem  Nebenfluss Sangha  nach Ouésso im Norden bringen wird. Der optisch auffallende Kahn wurde 2017 von einer belgischen Werft in Kinshasa übernommen. 

Das Schiffdesign lehnt sich an die einst auf dem Kongo verkehrenden Passagierschiffe an, welche jahrzehntelang die wichtigsten Städte am Kongo und seinen Nebenflüssen versorgten. 2023 wurde das Schiff aufgefrischt und ist seit 2024 für touristische Expeditionskreuzfahrten im Einsatz. Es soll sich übrigens im Besitz des kongolesischen Innenministers befinden, wie uns auf dem Schiff von der Besatzung zugeraunt wird. Was angesichts der grassierenden Korruption und Selbstbedienungsmentalität im Regierungsapparat kein Wunder wäre.

Weil der Tourismus in der Republik erst in den Anfängen steckt, ist die "Princesse Ngalessa" das einzige Schiff für ausländische Besucher auf dem Kongo. Und wohl auch das einzige modernere Schiff auf dem Kongo. 

Die älteren Passagierschiffe, die einst die Orte am Kongo über Jahrzehnte verbanden, wurden alle ausser Betrieb gesetzt, wohl nicht zuletzt wegen der Bürgerkriege und der bis heute anhaltenden Spannungen zwischen den beiden kongolesischen Nachbarn. Nun rosten die zahlreichen Schiffe im Hafen neben der "Princesse" vor sich hin.


Ausrangierte Passagierschiffe. 
     Die 24 Passagiere und Passagierinnen                         verteilen  sich auf Deck zwei und drei, wo                     sich auch das Restaurant befindet, sowie                     auf  Deck vier, wo die  Bar, die                                     Freiluftlounge sowie die Kapitänsbrücke                     sind. Auf Deck eins arbeiten und wohnen die              21 Angestellten.

     Die Kabine gefällt mir. Naben dem Schlafzimmer         gibt es eine Ankleideraum mit abgetrenntem                Badzimmer. Auf Deck zwei sind vor allem                  Alleinreisende wie ich untergebracht.  




Der lärmige Generator auf Deck zwei (blau) 
Meine gute Laune verfliegt allerdings, als das  Schiff am zweiten Tag die Motoren anwirft und Kurs in den Norden nimmt. Der mächtige Generator, der die zwei Schiffsmotoren antreibt und die Stromversorgung sicherstellt, befindet sich rund 15 m entfernt von meiner Kabine im Heck auf dem gleichen Deck ohne jegliche Lärmdämmung. Eine Installationsweise, die ich auf den vielen Flussschiffen, mit denen ich schon gereist bin, noch nie gesehen habe. Ergebnis: In meiner Kabine zittert das Bett und klappern die Möbel, begleitet von einem hohen Lärmpegel. An Schlaf ist kaum zu denken. Das dauert die ersten zwei Nächte an, weil  das Schiff  mit Volldampf  unterwegs ist. 


Es tröstete mich auch nicht, dass Daniel, unser sympathische junge deutsche Reiseführer und seine holländische Freundin Iris, die für den Hotelbetrieb auf dem Schiff verantwortlich ist, die  hinterste Kabine gleich neben meiner belegen, und damit wohl noch stärker vom Lärm betroffen sind. Offenbar haben sie sich daran gewöhnt.

Auch meine beiden alten Reisekollegen Ursula und Christian fühlen sich auf dem Schiff sehr wohl. Mitgeholfen haben dürfte, dass das Paar eine Kabine auf Deck drei im vorderen Schiffsteil bewohnt und vom Motorenlärm eher wenig mitbekommt. 

Chefkoch Clarence, der im Restaurant gerne flambiert. Die Zürcher Feuerpolizei wäre in heller Aufregen....


Die Küchenmannschaft bietet bei den täglich drei Mahlzeiten stets eine ausgezeichnete Auswahl an französischen, italienischen und kongolesischen Gerichten an, begleitet von Wein und Bier und einer  Auswahl von alkoholfreien Getränken. Auch die Freiluftbar auf dem obersten Deck ist reichlich bestückt mit Aperitif und Digestif.

Die Leistung der Küchenmannschaft und der Kellner ist aus einem weiteren Grund ausserordentlich. Weil es keinen Aufzug von der Küche in das Restaurant gibt, muss alles von Hand über recht steile Treppen von Deck 1 auf Deck 3 hochgetragen werden. 



Im Element: Der Barman mit seiner Beschallungsanlage.


Zur durchwegs guten Laune an Bord trägen wesentlich die kongolesischen Reiseführer bei, denen ihre Arbeit sichtlich Spass macht. 

Zu ihnen gehört beispielsweise der hochgewachsene Arold, der uns sachkundig die Vogelwelt entlang des Flusses und im Urwald näher bringt und die vielen religiösen Strömungen im Kongo aufzeigt.  

Ornithologe und Religionsspezialist Arold (l.) mit Reiseleiter Daniel. 



Seine Kollegen Jordin und Schadrack erweisen sich auf den Landgängen und Urwaldexpeditionen als exzellente Kenner von Bäumen, Schlingpflanzen, Heilpflanzen und giftigen Gewächsen. Sie zeigen uns, wie Maniok angepflanzt und danach in einem mehrtägigen Verarbeitungsprozess zum wichtigsten Grundnahrungsmittel im Kongo verarbeitet wird. Oder wie man im Kongo mit dem Saft einer bestimmten Pflanze seine Arme mit (abwaschbaren) Tattoos verziert. 




Schadrack zeigt uns, was im Urwald alles wächst



Als eher weniger dem Humor zugeneigt erweist sich der Kapitän, ein Hüne von Mann, der seit 26 Jahren auf Schiffen arbeitet. Er begrüsst uns am zweiten Tag auf dem Schiff in einer tadellos sitzenden Uniform und erklärt uns die "MS Princesse Ngalessa" sowie die Sicherheitsmassnahmen, an die wir uns zu halten haben. 


Der Kapitän in voller Montur...



Und dann sehen wir ihn nie mehr in der Uniform. Am liebsten bewegt er sich im weissem Shirt und langer gelber Trainingshose. 



...und im Freizeitlook. 



Zur Schiffsausstattung gehören auch drei Schnellboote, mit denen wir Ausflüge in Nebenarme und seichtere Gewässer machen, sei es auf der Suche nach Flusspferden, von denen wir keines entdecken werden, oder auf der Suche nach Vögeln, wo die Ausbeute reicher sein wird. Mit den Schnellbooten  gehen wir auch zum Besuch von Dörfern, derweil die "Princesse" weiter den Fluss hoch tuckert. 



Zwei der drei Schnellboote, die für Ausflüge eingesetzt werden. 


Und hier noch ganz zum Schluss der Schiffsbetrachtung: Zweiter sehr gewöhnungsbedürftiger Umstand neben dem Maschinenlärm ist der Umstand, dass die Wifi-Einrichtungen zwar vorhanden sind, aber keine Verbindung aufgebaut werden kann, weil es offenbar mit den Satellitenkontakten nicht klappt. Das wird hart für einen News-Junkie wie mich....






Kongo II: Brazzaville, wo Helden gefeiert werden und das Volk darbt


Kathedrale Sainte-Anne


Unsere erste Besichtigungstour durch Brazzaville startet bei der Kathedrale Sainte-Anne, die in den Vierzigerjahren von einem französischen Architekten erbaut wurde und zu den vielen noch heute sichtbaren Erbschaften aus der französischen Kolonialzeit gehört. In der 1886 errichteten Diözese Brazzaville leben laut Vatikanangaben heute rund 600'000 Katholiken, was einem Bevölkerungsanteil von rund 57 Prozent entspricht. 


Kirchenstühle für Ehrengäste


Beim Spaziergang durch die Kathedrale entdecke ich in einer Ecke ein Bild von Kardinal Emile Bianyenda. Nach dem Studium der Katholischen Theologie in Brazzaville und Lyon arbeitete sich der Geistliche ab 1959 vom Pfarrer bis zum Kardinal hoch. Er war erst 50 Jahre alt, als er 1977 während des Bürgerkriegs, der damals in der Republik Kongo tobte, entführt und ermordet wurde. Mitte der 90er Jahre wurde er selig gesprochen. 

Von einer anderen Scheibe blickt General de Gaulle mit strengem Blick hinunter. 


Der Kardinal, der mit 50 entführt und ermordet wurde. 


Rund um die Kirche wimmelt es von Heiligenbildern und Gebetsecken in Grottenform. Ich kann es mir - obwohl Atheistin - nicht verklemmen: Besonders prominent wird hier die Hl. Rita dargestellt. 

Was eine elegante Überleitung zu einem anderen Heiligen ermöglicht. 


Gab der Hauptstadt seinen Namen: Pierre Savorgnan de Brazza. 


Er heisst Pierre Savorgnan de Brazza. Der 1852 in Rom geborene Mann wurde Marineoffizier und machte sich später als Afrikareisender im Auftrag Frankreichs einen Namen. 

De Brazza gilt als sehr seltene Gestalt unter den frühen Kolonialisten in Afrika, weil er seinen Reichtum ohne Gewaltanwendung zusammengetragen haben soll. 

Das dürfte mit ein Grund gewesen sein, weshalb ihn die französische Regierung aus dem Ruhestand holte und nach Französisch-Kongo schickte, wo er abklären sollte, was es mit den Anschuldigungen von Gräueltaten an Afrikanern, begangen durch französische Soldaten und Firmen, auf sich hatte. 

De Brazza sammelte zahlreiche Hinweise auf brutale Praktiken und schrieb dies auch nieder. Seine Berichte nach Paris wurden aber auf Anweisung der französischen Regierung geheim gehalten. 

Und hier mache ich als Bahnjournalistin im Ruhestand eine ganz grosse Klammer auf, denn meine Neugierde war geweckt. Der Skandal betraf vor allem den Bau der Chemin de fer Congo-Océan. Die Bahnlinie sollte Brazzaville mit der Hafenstadt Pointe-Noir am Atlantik verbinden.  


Gleis der einzigen Bahn in der Republik Kongo. 

Fündig geworden bin ich in einem 2021 veröffentlichten dicken Wälzer mit dem Titel: "In the Forest of No Joy: The Congo-Ocean Railroad and the Tragedy of French Colonialism", der in der kleinen, aber feinen Bibliothek auf der "MS Princesse Ngalessa" aufliegt. Darin zeichnet der US-Historiker J.P. Daughton den Bau der 510 km langen Eisenbahnlinie in allen Details nach. Vieles fusst auf den geheim gehaltenen Erkenntnissen von de Brazza. 

Kürzestzusammenfassung: Bei dem von Frankreich in den 20er Jahren angeordneten Bau der Eisenbahnlinie kam es zu kaum vorstellbaren Gräueltaten. Der französische Gouverneur und die mit dem Bau beauftrage Pariser Firma "Société de construction des Batignolles" (SCB) hatten zwar keine Ahnung von den geografischen Besonderheiten der geplanten Strecke. Was sie jedoch genau wussten: Die Bahnverbindung sollte so wenig wie möglich kosten. 

Ergebnis: Für den Bau von 1921 bis 1934 wurden grösstenteils Zwangsarbeiter eingesetzt. Sie erhielten weder Lohn noch medizinische Versorgung und mussten meist selber für ihre Nahrung sorgen. Das hatte zu Folge, dass die Menschen wegen Unterernährung, Arbeitsunfällen und Tropenkrankheiten umkamen. Die Bilder von zu Skeletten abgemagerten Frauen und Männer im Buch, die aus französischen Quellen stammen, sind nur schwer auszuhalten. 

Teilweise starben in einem Jahr über 30 Prozent der neu rekrutierten Arbeiter. Die mit der Suche nach neuen Zwangsarbeiter beauftragten Franzosen mussten in immer entfernteren Gegenden in Zentralafrika nach "Arbeitern" suchen. 

Nach offiziellen Angaben kamen gegen 20'000 Menschen beim Bau um. Nach inoffiziellen Schätzungen sollen es gegen 60'000 Menschen gewesen sein. 


Und wie geht es der Bahn heute?


Güterzug in Pointe-Noir. Das Bild stammt von 2018.  


In den letzten Jahren kam es immer wieder zu schweren Eisenbahnunfällen mit teilweise weit über 100 Toten wegen maroder Infrastrukturanlagen, überladenen Güterzügen und menschlichem Versagen. 

Über mehrere Jahre hinweg fuhr überhaupt keine Bahn mehr, weil bei politischen Unruhen Brücken gesprengt worden waren. In den lokalen Zeitungen beklagen sich immer wieder Reisende über die schlimmen hygienischen Zustände in den völlig veralteten Zügen.  

Bei der Stadtbesichtigung könnte man die Existenz dieser Bahn glatt übersehen. Zufälligerweise fährt unser Auto über ein einsames Gleis und der Fahrer fährt netterweise noch beim Bahnhof von Brazzaville vorbei, wo praktisch nichts los ist. 


Der Bahnhof von Brazzaville.

War's das mit der Bahn? Nein. 2007 unterzeichnete eine Firmengruppe namens "Congo Malaysia Korea Consortium" einen Vertrag mit der Regierung zur Erweiterung der Bahnlinie nach Ouésso, das 1000 km nördlich der Hauptstadt liegt. Im Gegenzug erhielt Südkorea, das hinter der Gruppe steht, eine 30-jährige Konzession für die Erschliessung und Vermarktung von Gas, Eisenerz und vor allem Tropenholz. 

Über die angekündigte Erweiterung der Bahnlinie habe ich trotz intensiver Suche keinerlei Hinweise gefunden. 

Und wie ging es mit Pierre Savorgnan de Brazza weiter? Nachdem er seinen Bericht über die Greueltaten der französischen Eisenbahnbauer erstellt und hatte, erkrankte er auf seinem Rückweg nach Frankreich an Fieber und verstarb 1905 mit 53 Jahren in Dakar (Senegal). Gerüchten zufolge soll er vergiftet worden sein. Honi soi que mal y pense!

Sein Leichnam wurde nach Paris überführt und mit einem Staatsbegräbnis auf dem Friedhof Père-Lachaise geehrt. Später wurden seine sterblichen Überreste nach Algerien gebracht.


Kostete viel Geld: Das Marmormonument für Pierre Savorgnan de Brazza 

Erst 2006 wurde der italienische Seefahrer in französischen Diensten von der Regierung in Brazzaville aus der Ecke des Vergessens geholt. Seine Asche wurde aus Algerien nach Brazzaville überführt. 

Für die umgerechnet enorme Summe von 10 Millionen Franken wurde am 3. Oktober ein beeindruckendes Marmormausoleum eingeweiht. Zu den Gästen, die der Einladung von Denis Sassou Nguesso, dem langjährigen Staatspräsidenten der Republik Kongo folgten, gehörte unter anderem der französische Präsident Jacques Chirac. 

Und heute? Die wenigen Besucherinnen und Besucher können die Statue von de Brazza im kleinen Park bewundern, sich an den tropischen Blumen erfreuen und dann die Marmorhalle betreten, wo Infotafeln über das Leben von de Brazza informieren. 

Das Untergeschoss, wo de Brazzas Asche in einem nicht minder pompösen Grab ruht, darf man aber nicht besuchen. Warum? Keine Ahnung. 



Die Wirtschaftslage für die Bevölkerung ist prekär: Bei den Tankstellen stauen sich die Autos. 

Das reale Brazzaville hat mit ganz anderen Problemen zu kämpfen. Vor den Tankstellen stehen seit Monaten lange Warteschlangen. Automobilisten berichten  in lokalen Medien, dass sie Stunden, ja gar ganze Nächte vor Tankstellen verbringen müssen, um zu tanken. Mit ein Grund: Die Angestellten der Congo Ocean Railway, wie die staatliche Bahngesellschaft heute heisst, befinden sich im Streik. Auf der Strecke Pointe Noir-Brazzaville wird ein Grossteil der Erdölprodukte transportiert. 

Seit Monaten leidet die Hauptstadt unter Knappheiten aller Art. Stromausfälle bei Temperaturen zwischen 25 bis 33 Grad setzen Klimaanlagen ausser Betrieb, die unter anderem für die Sicherung der Nahrungsmittelversorgung wichtig sind. Folge: Lebensmittel und Frischprodukte wie Fleisch und Fisch müssen weggeworfen werden, was die Lebensmittelpreise erhöht.  

Unternehmen weichen wegen Strommangels auf Generatoren aus, die mit Diesel betrieben werden. Der Leiter eines IT-Dienstes erklärt, dass er statt der umgerechnet 46 Euro pro Tag nur noch noch 9 bis 10 Euro verdiene.  

Weil Busse nur mit grosser Verspätung fahren, haben Taxis Hochbetrieb - allerdings zu hohen Preisen. Sie tanken bei illegalen Benzinverkäufern, die ihre Preise laut Medienberichten nach ihrem Gutdünken festlegen. 

Der Witz an dieser Sache: Kongo-Brazzaville ist der viertgrösste Ölförderer Afrikas und trotzdem seit Jahren hoch verschuldet. Als Hauptgrund gilt die Korruption und Selbstbedienungsmentalität unter dem Regime von Langzeitpräsident Denis Sassou Ngesso. 


Denis Sassou Nguesso, Kongos Präsident (r.) und sein Sohn Denis-Christel (l.). 

Direktor der Nationalen Erdölgesellschaft ist Denis-Christel Sassou Nguesso, der Sohn des Präsidenten. Im Volk wird er "Kiki le pétrolier" genannt. Sein luxuriöser Lebenswandel ist berüchtigt. 2007 enthüllte die britische NGO Global Witness, wie der Präsidentensohn in einem einzigen Jahr hunderttausende Dollar für Luxuskäufe in Paris, Dubai und Marbella verprasste. 

Laut  Gobal Witness soll er insgesamt 50 Millionen Dollar aus der Staatskasse abgezweigt haben. Sein Versuch, die NGO vor ein britisches Gericht zu ziehen, misslang. Im Juli 2016 wurden in Frankreich und in den USA Vermögenswerte von ihm beschlagnahmt. Auch in der Schweiz kam es zu Beschlagnahmungen. 

Geschadet hat es dem Präsidentensohn kaum. Inzwischen ist er kongolesischer Minister für Internationale Kooperationen und damit weiterhin sehr nahe an den Geldtöpfen.    






 








 


 













Kongo I: Wer nach Brazzaville reist, kann zwei Rekorde feiern



Ein Fluss, zwei Hauptstädte: Brazzaville (o.l.) und Kinshasa (u.l.). Bild Nasa

Als mir zwei alte Reisefreunde vor längerem mitteilten, dass sie eine Flussfahrt auf dem Kongo planten, war ich sofort dabei. Zentralafrika war bis zu diesem Zeitpunkt einer meiner vielen buchstäblich weissen Flecken auf der Landkarte des schwarzen Kontinents. 

Unsere Reise begann am 7. November 2024 mit dem Flug von Paris Charles De Gaulle nach Brazzaville Maya-Maya mit der Air France A722. Weil ich das Kleingedruckte auf dem elektronischen Ticket nicht genau studiert hatte, realisierte ich erst auf dem Flug, dass unsere A350-900 zuerst in Kongo Kinshasa zwischenlanden würden. 

Auch gut, sagte ich mir, dann hätte ich wenigstens einen Fuss in die beiden Staaten des Kongo gesetzt, die auseinander zu halten, nicht nur mir schwerfällt. Welches ist die Demokratische Republik Kongo? Und auf welcher Uferseite liegt die Republik Kongo? Weil das so tricky ist, spricht man der Einfachheit halber nur noch von Kongo-Brazzaville und Kongo-Kinshasa

Die Trennlinie zwischen den beiden Staaten ist der Kongo, der mit 4374 km zweitlängste Strom Afrikas. Unser finales Reiseziel Brazzaville, die Hauptstadt der Republik Kongo liegt auf der nördlichen Seite, Kinshasa, die Hauptstadt der Demokratische Republik Kongo auf der südlichen Seite. 


Die Air-France-Maschine im Anflug auf Kinshasa und Brazzaville. Rekord Nr. 1: Nirgends auf der Welt liegen zwei Hauptstädte so nahe beieinander. 

Tönt kompliziert, wird uns in den nächsten zwei Stunden jedoch die einmalige Möglichkeit bieten, gleich zwei Rekorde zu brechen. Rekord Nummer 1: Weltweit gibt es keine zwei Hauptstädte, die so nahe beieinander liegen wie Kinshasa und Brazzaville. Die zwei Metropolen liegen 4,7 km auseinander.  

Daraus folgt zwingend der zweite Rekord. Die Flugdauer zwischen dem N'Djili Airport in Kinshasa dauert nach dem Start bis zum Touch-down auf dem Flughafen Maya-Maya in Brazzaville genau 10 Minuten. Es dürfte sich weltweit um den kürzesten Flug in der kommerziellen Aviatik handeln. 

Unser Pech: Weil der Flug so kurz ist, können wir nicht mit Champagner auf die Rekorde anstossen....


Rekord Nr. 2: Die Flugzeit zwischen den beiden Hauptstädten dauert ganze 10 Minuten. 

Auf der Fahrt vom Flughafen Maya-Maya zur Anlegestelle unseres Flussschiffes "MS Princesse Ngalessa" am Kongo blicken wir auf die nächtlich erleuchtete Skyline von Kinshasa auf der anderen Flussseite. Mit 16,32 Millionen Einwohnern ist es die zweitgrösste Stadt Afrikas, im Land leben über 100 Millionen Menschen. Brazzaville rangiert mit 2,14 Millionen Personen hingegen weit hinten in der Statistik afrikanischer Metropolen, der Staat zählt lediglich 6 Millionen Einwohner.  

Obwohl die beiden Staaten einst zum riesigen Königreich Kongo gehörten und somit Sprache und Kultur teilen, sind sie sich seit der Unabhängigkeit 1960 fremd geworden. Der Afrikakorrespondent der NZZ verglich die beiden Städte einst mit zwei verfeindeten Geschwistern, die Seite an Seite leben müssen.

Was natürlich zu allerlei Merkwürdigkeiten führt. So gibt es noch immer keine einzige Brücke, die die beiden Millionenstädte verbinden würde. Dies, obwohl über den Bau der Brücke seit Jahren verhandelt wird. Ergebnis: Wer auf die andere Seite will, muss weiterhin eine Fähre benutzen. 

Fehlt es an Geld? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Für den Bau einer 1,5 km langen Brücke mit Strassen, einer Bahnlinie und abgetrennten Fussgängerwegen stellten die Afrikanische Entwicklungsbank und weitere Organisationen 2019 ein Finanzpaket von 550 Millionen Dollar in Aussicht. 


Der Ponst du Djoué, ein Prestigeprojekt ohne grossen Nutzen. 

Dafür wurde eine andere Brücke realisiert: Der "Pont du Djoué", eine 2,5 km lange und überaus elegante Stahlseilbrücke direkt am Kongo-Ufer. Sie führt über einen kleinen Nebenfluss des Kongo und verbindet zwei Stadtquartiere von Brazzaville. Der einzige Zweck der nachts pompös beleuchteten Brücke sei es, die Machthaber drüben in Kinshasa zu ärgern, frotzeln die Menschen in Brazzaville, von denen die meisten tagtäglich ums wirtschaftliche Überleben kämpfen müssen. 

Die Prunkbrücke wurde übrigens von China mitfinanziert. Wo das Reich der Mitte sonst noch seine Finger drin hat, soll in einem späteren Blog-Beitrag gezeigt werden.  










Kongo IX: Auf Abschiedstour mit den Pygmäen

Der zweitletzte Tag im Kongobecken gehört ganz der autochthonen Bevölkerung, wie die Pygmäen politisch korrekt genannt werden müssen. Diese ...