Mittwoch, 31. Januar 2024

Falkland I: Wie man auf dem Weg dorthin im Gefängnis landet


Eingang zum "Malmaison Hotel"

Einmal einen Fuss auf Falkland zu setzen: Das war schon lange mein Traum. Das britische Überseegebiet östlich der südlichen Spitze von Südamerika besteht aus 200 Inseln, die wenigsten davon sind bewohnt. Von Natur aus gibt es keine Bäume, die wenigen windzerzausten Kiefern und Fichten wurden in den letzten zwei Jahrhunderten angepflanzt. Die rund 3800 Einwohnerinnen und -einwohner teilen sich den Lebensraum mit zehntausenden Schafen und Millionen von Pinguinen. 

Das wollten mein Reisekollege Stefan und ich mit eigenen Augen sehen. 

Unter Flugscham sollte man bei diesem Vorhaben keinesfalls leiden. Die erste Etappe führt von Zürich Kloten nach London Heathrow. Dort geht es mit dem Bus weiter über Oxford zur grössten Luftwaffenbasis der britischen Royal Air Force in Brize Norton. Zwei Mal pro Woche hebt die private Airline Air Tanker im Auftrag der britischen Regierung kurz vor Mitternacht ab und landet mit einem Zwischenstopp auf der Insel Ascension anderntags nach 18 Stunden auf der Royal Air Force Station Mount Pleasant auf Falkland. Die meisten im Flieger sind Soldaten und Soldatinnen. 

Um rechtzeitig in Brize Norton zu sein, entschlossen wir uns, die Nacht vom Dienstag auf Mittwoch (unserem Abflugtag) in der berühmten Universitätsstadt Oxford zu verbringen. Es gibt zahlreiche Hotels in der Stadt. 

Eines jedoch überragt alle: Das "Malmaison Oxford". 

Das Vier-Stern-Etablissement befindet sich im Her Majesty's Prison Oxford. Einen geschichtsträchtigeren Ort kann man sich nicht vorstellen. Hier eine Kurzversion:

Im Jahre 1071 erbauten  Normannen auf Anweisung von William dem Eroberer das Schloss von Oxford. Der grösste Teil von Oxford Castle wurde im Englischen Bürgerkrieg, der von 1642 bis 1649 tobte, zerstört. Was übrig blieb, wurde im 18. und 19. Jahrhundert zur Erweiterung des damals schon bestehenden Gefängnisses genutzt. 

Die Zustände mussten katastrophal gewesen sein. Die Gefangenen hatten für ihren Unterhalt selbst aufzukommen. Wer nicht verhungerte, wurde durch Krankheiten dahingerafft. Das Gefängnispersonal war berüchtigt für seine Brutalität. 1770 wurde das Gebäude als nicht geeignet für ein Gefängnis eingestuft.  

In viktorianischer Zeit wurde die Anlage modernisiert und ausgebaut. Die sanitären Einrichtungen wurden verbessert, es gab neue Zellen und ein Hof, wo die Gefangenen sich bewegen konnten. 

Bis 1863 gab es öffentliche Hinrichtungen. Die Insassen mussten Zwangsarbeit verrichten, so auch ein 7-jähriges Mädchen, das einen Kinderwagen gestohlen hatte und dafür zu einer Woche Gefängnis verurteilt wurde. In die kleinen Zellen wurden bis zu drei Insassen gepfercht. 

Erst 1996 wurde die völlig veraltete und überbelegte Anstalt für immer geschlossen. Für immer? Mitnichten. Regisseure und Drehbuchautoren entdeckten das Gefängnis als ideale Kulisse für Filme wie "Porridge",  "Bad Girls", "The Italien Job" und "Inspector Morse an The Bill". 

Damals erwarb die Hotelgruppe Malmaison das Oxford Castle und baute es um. 2006 wurde es eröffnet. Die 95 Hotelzimmer bestehen aus mindestens drei Gefängniszellen. Viele Originalelemente wie Metalltüren, Treppen und die typischen Gefängnisflure wurden beibehalten. 


So sah die Zelle für drei Gefangene bis zur Schliessung 1996 aus. 


Zimmer heute: Besteht aus drei Zellen. 

 


Spielereien im Zimmer.


Die Hotelkette hat sich darauf spezialisiert, historische Gebäude in Hotels zu verwanden. Dazu gehören unter anderem eine griechisch-orthodoxe Kirche in Glasgow (Werbespruch: Alles andere als orthodox) und und ein Bordell in Edingburgh (Werbespruch: Special Delivery).

Ich habe den Aufenthalt in dem überaus gepflegten Haus sehr genossen. In meinem Zimmer erkannte man auf den ersten Blick, wie klein die ursprünglichen Zellen war. Und der mitternächtliche Gang durch die weitgehend intakten Gefängnisflure werden mir in bleibender Erinnerung bleiben. Nicht minder spannend fand ich das kurzzeitige Eintauchen in die lange Geschichte des Gefängnisses. Offenbar taten  sich andere schwerer damit. 


Die Gefängnisflure um Mitternacht.

Im September 2021 kam es auf Twitter, YouTube und Instagram,  aber auch in britischen Tageszeitungen bis hin zum US-Magazin "Newsweek" zu heftigen Auseinandersetzungen. Auslöserin war eine Frau, die sich "erschüttert" zeigte, dass aus einem ehemaligen Gefängnis ein Luxushotel geworden sei, das viele Influenzerinnen zur Selbstdarstellung nutzten. Fett ab bekamen auch junge Paare, die in "Malmaison" prächtige Hochzeitsfeiern hielten. 

Dieser moralische Rigorismus wurde von vielen beklatsch. "Wie kann man hier Ferien machen, wo es hinter diesen Mauern doch so viel Leid und Grausamkeit gab?" kommentierte jemand. Das kam bei ebenso vielen Usern schlecht an. "Werden nun auch noch Gefängnisse gentrifiziert? Das ist absurd." 

Fachleute wiesen darauf hin, dass das ehemalige Gefängnis wegen seiner historischen Bedeutung auf der nationalen Liste der erhaltenswerten Objekte stehe. Statt es abzureissen sei es von der Hotelgesellschaft sorgfältig umgebaut und damit für die Nachwelt erhalten geblieben. 

Die Falklandinseln sind noch in weiter Ferne. Doch bereits die vergleichsweise kurze Etappe bis Oxford hat sich mit dem Experiment "Malmaison" mehr als nur gelohnt. "Der Weg ist das Ziel", soll Konfuzius schon vor zweieinhalbtausend Jahren festgestellt haben. Er hat - wie so oft - recht.

Bis bald. 






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