Sonntag, 18. Juni 2023

Auf Umwegen nach Paris, Teil 3


Prochain arrêt: Paris

In zwei Tagen auf Umwegen nach Paris und wieder zurück: Dieses sportliche Ergebnis gilt noch immer, wenn auch mit einer unvorhergesehenen Verzögerung. Die Kunstpause zwischen Teil 2 und Teil 3 hat einen einfachen Grund: Die Schreiberin klinkte sich für einen längeren Abstecher nach Berlin aus.

Doch nun zurück zu Paris. Die Strecke von Chaumont nach Paris zum Gare de l'Est dauert knapp zweieinhalb Stunden. Unser Coradia Liner (hergestellt von Alstom), der Mulhouse mit der Hauptstadt verbindet, braust zeitweise mit 160 Stundenkilometern durch die Landschaft. Vorbei an endlosen Getreidefeldern, am AKW von Nogent-sur-Seine, dann durch die Banlieus von Paris. 

Mit dem Zug in Paris anzukommen, ist immer ein Highlight. Keine Betonzweckbauten (Basel oder Bern, um nur einige Negativbeispiele zu nennen) begrüssen die Reisenden, sondern eine elegante und luftige Bahnhofsarchitektur. Der Gare de l'Est wurde 1850 von Napoleon III. eingeweiht und ist der älteste der Pariser Bahnhöfe.


Foto: Office du Tourisme Paris

Diese zu geniessen, ist allerdings nicht einfach. Naturgemäss kommen sich Anreisende und Abreisende samt Koffern, Kinderwagen usw. oft und gerne in die Quere. Während Ankommende sofort nach Angehörigen, der Metro, dem Taxistand oder den Bussen Ausschau halten, suchen Abreisende ebenso rasch den Abfahrtsquai ihres Zuges. Kurz: Bahnhofpassagiere haben meist keine Zeit, nach oben oder auf den Boden zu schauen.


  


Im Gare de l'Est würde sich das sehr lohnen. Dank unseres mitreisenden Pariser Bahnexperten Patrick Laval entdecken wir den "Kilometer Null", eine Tafel am Boden. 

Bei der Eröffnung des Gare de l'Est 1849 durch die Compagnie du Chemin de Fer de Paris à Strasbourg wurde der Nullpunkt am Boden angebracht. Entlang der Gleise wurden Kilometersteine bis nach Strasbourg gesetzt, damit der Lokführer immer wusste, wo er war. 

Kollege Patrick dämpft unsere Begeisterung mit dem Hinweis, dass die Plakette ursprünglich an einem anderen Ort war, dann aber bei den vielen Umbauten im Bahnhof an diesen Platz verschoben worden war. 

Und noch das: Am 4. Oktober 1883 fuhr der erste Orient-Express mit dem Ziel Konstantinopel ab Paris Gare de l'Est. 




Blickt man von der Kilometer-Null-Plakette hoch, entdeckt man unterhalb der Decke ein riesiges Gemälde. "Le Départ des poilus, août 1914" stammt vom amerikanischen Maler Albert Herter (1871-1950). Er schenkte das Gemälde der Compagnie des Chemins de Fer de l'Est 1926. Das Bild zeigt die Abfahrt von Soldaten im August 1914 an die Front. Der Maler widmete das Gemälde aber auch seinem Sohn Everit, der als Freiwilliger in den US-Truppen am Krieg teilnahm und 1918 bei Château-Thierry ums Leben kann.

Und was bedeutet poilus? Es stammt vom Wort poil (Haar). "Avoir du poil" bedeutet umgangssprachlich Mut zu haben.  

Das Gemälde von Herter ist eine Hommage an seine eigene Familie: Der Vater hat seinen Sohn in die Bildmitte gesetzt: Die Arme in den Himmel erhoben, einen Blumenstrauss im Gewehrlauf. Am linken Bildrand steht die Mutter von Everit mit gefalteten Händen. Ganz rechts der Vater, mit leicht geneigtem Oberkörper, in der einen Hand einen Blumenstrauss, die andere Hand auf dem Herz. Als würde er sich vor dem Grab seines Sohnes verneigen.

Mehr Informationen, auch über Sehenswürdigkeiten zum Gare de l'Este gibt's hier: https://www.garesetconnexions.sncf/fr/gares-services/paris-est

Das Ende des Umweges nach Paris ist schliesslich im Gare de Lyon erreicht. Mit zeitweise gegen 320 km/h Stundenkilometern bringt mich der TGV Lyria zurück nach Zürich. 

Vielleicht wird auf dieser Strecke künftig auch der Avelia Horizon verkehren. Die neuen Züge von Alstom sollen ab 2024 auf dem französischen Schienennetz eingesetzt werden.  Insgesamt 115 Fahrzeuge wurden bestellt. Davon sollen künftig 100 Züge in Frankreich und 15 im internationalen Verkehr eingesetzt werden. Die Höchstgeschwindigkeit dieses Fahrzeugtyps liegt bei 350 km/h. Mehr Informationen über den schnittigen Zug gibt's hier: https://www.alstom.com/fr/avelia-horizon-le-seul-train-grande-vitesse-deux-niveaux-au-monde



Avelia Horizon (Foto: Alstom)















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