Montag, 13. November 2023

Saudi-Arabien I: Spiegelungen in der Wüste



Weihrauchvergangenheit und jahrhundertalte Lehmziegelbauten? Oder doch lieber futuristische Spiegelarchitektur in der Wüste? Meine jüngste Reise nach Saudi-Arabien bewegte sich in diesem Spannungfeld. 

Saudi-Arabien, der weltgrösste Öllieferant, versucht sich derzeit in Richtung hypermoderne Zukunft zu katapultieren. Zum Beispiel mit dem Projekt Neon: Auf einer Fläche der Grösse von Belgien entsteht Neom mit The Line als Prunkstück. Die Bandstadt soll 170 Kilometer lang, 200 Meter breit und 500 Meter hoch werden. Die Rede ist von der grössten Baustelle der Welt. 

Als Schweizerin, die in der Kleinräumigkeit lebt, ist man erst einmal baff und dann sehr neugierig. Bei den aktuellen Reisen nach Saudi-Arabien findet diese Entwicklung noch keinen grossen Niederschlag. Weihrauchstrasse, Grabstätten von 7000 Jahre alten Zivilisationen und vieles mehr aus der Vergangenheit macht sich im Programm besser als Futurismus in der Wüste. 

Die von der Reisehochschule Zürich organisierte Reise nach Saudi-Arabien bot mir vor allem diesen historischen Überblick: Dazu gehören etwa Lehmziegelhäuser, die wie vier weitere Orte in Saudi-Arabien zum UNESCO Weltkulturerbe gehören. Nachdem die Reisende bemerkte, dass die besuchten historischen Stätten eigentlich nur aus renovierten Fassaden bestanden, dahinter ging der Zerfall munter weiter, sank bei mir das Interesse massiv. In den musealen Bauten wohnt praktisch kein Mensch mehr. 

Einer überaus musikaffinen Mitreisenden war es zu verdanken, dass wir in Al Ula im Nordwesten Saudi-Arabiens eine unerwartete Programmänderung machen konnten: Sie wollte unbedingt die Maraya Concert Hall sehen. Maraya? Wir anderen hatten noch nie etwas davon gehört. Und so fuhren wir in eine gebirge Wüstenregion - und plötzlich stand Maraya vor uns. 


Wir staunten und waren hin und weg. Die Maraya Concert Hall - Maraya ist das arabische Wort für Spiegel - besteht aus einer Spiegelfassade, die insgesamt 9740 Quadratmeter umfasst. Das rundum verspiegelte Gebäude schaffte es umgehend in die Guinness World Records als grösstes spiegelverkleidetes Gebäude der Welt. 



Zum Gebäude gehört eine über 800 Quadratmeter grosses auffahrbares Fenster, das einen Ausblick auf die faszinierende Wüstenlandschaft ermöglicht. Das Meisterwerk stammt vom deutsch-italienischen Architektur- und Design-Team Gio Forma.


Zu den ersten Künstlern, die hier auftraten, gehörten Andrea Bocelli, Lionel Richie und Yanni. Inzwischen haben Luxusmarken wie Cartier und Rolls Royce den Glastempel für Werbeaufnahmen entdeckt. Im Frühjahr 2023 fand eine grosse Ausstellung zu Andy Warhol statt. 

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