Fast wie eine Fata Morgana: Das King Abdulazis Center in Dhahran |
Gerne hätte ich auf der Reise durch Saudi-Arabien eine Ölquelle aus der Nähe besichtigt. Doch das Vorhaben kam nicht zu Stande. Dafür bekommen die Gäste aus dem Ausland auf Schritt und Tritt vorgeführt, wofür der weltgrösste Erdölproduzent das Geld bevorzugt ausgibt: Für Kunst, Kultur und Kommerz.
Und das am liebsten mit dem Prädikat: "Weltweit grösstes Projekt". Auf einer kleinen Stadtrundfahrt durch Riad zeigt der lokale Guide links und rechts auf riesige Baustellen. Da soll der grösste Park der Welt entstehen, dort die längste Sportanlage der Welt, nur um einige Beispiele zu nennen. Und da drüben soll der grösste Kubus der Welt als Teil des Projekts "New Murabba" entstehen.
Eine erste Kostprobe erhielten wir mit der Maraya Concert Hall, einem spektakulären Bau in der gebirgigen Wüste im Nordwesten des Landes. Das grösste verspiegelte Gebäude der Welt hatte uns in seinen Bann geschlagen, wie ich in meinem letzten Blog-Beitrag ausgeführt hatte.
Die zweite Kostprobe tauchte bei der Fahrt nach Dammam am Persischen Golf auf: Wie spielerisch hingeworfene monströse Felsbrocken taucht das "King Abdulaziz Center der Weltkultur", auf Arabisch Ithra im Stadtteil Dhahran. am Horizont auf. Der höchste "Felsbrocken" ragt 90 Meter in den Himmel. Nun reichen diese Meter in keiner Weise aus, um als grösstes Gebäude der Welt durchzugehen.
Der Turm ragt 90 Meter in die Höhe. |
Als absolute Augenweide reicht Ithra allemal, wir sind genau so verzaubert wie Tage zuvor von der Maraya Concert Hall. Und der guten Ordnung halber verlieh das US-Magazin "Times" dem vom norwegischen Architekturbüro Snøhetta entworfenen Bau nach der Eröffnung 2018 das Prädikat "einer der 100 besten Orte der Welt" zu sein.
Am Beispiel dieses Gebäudes lässt sich zeigen, wohin der mächtige Herrscher Mohammed bin Salman (MBS) sein Land treiben will. Der Wüstenstaat soll angesichts des allmählich zur Neige gehenden Ölreichtums neue Einnahmequellen erschliessen. Mit seiner "Vision 2030" soll Handel, Tourismus und Kultur vorangetrieben werden.
Es ist kein Zufall, dass Ithra in Dhahran steht. Ganz in der Nähe begann 1935 mit dem Bohrloch Nr. 7 Saudi-Arabiens Aufstieg zum grössten Erdölverkäufer der Welt. Und Hausherr von Ithra ist Aramco, mit 600 Milliarden Dollar der weltweit grösste Erdölförderer. Der Multi hat seinen Hauptsitz in einem riesigen, teilweise abgegrenzten Stadtteil von Dhahran. In dem luxuriös ausgestatteten Viertel mit eigener Universität leben über 50'000 Aramcons, wie die Angestellten sich selber bezeichnen.
Die Bibliothek im Ithra |
Ithra soll diese Zukunftsperspektiven widerspiegeln. Im 90 Meter hohen Turm befinden sich unter anderem eine Bibliothek mit 350'000 Büchern in arabischer und englischer Sprache, ein digitales Ideenlabor und ein Museum für moderne Kunst. Ebenerdig gibt es einen Konzertsaal für 900 Personen und ein Kino. Im Konzertsaal waren schon das Wiener Kammerorchester, das London Symphony Orchestra und das Mariinski-Orchester aus St. Petersburg zu Gast.
Im Untergeschoss findet die Vergangenheit statt. Dort gibt unter anderem eine Ausstellung Auskunft über die Geschichte der Erdölförderung, es ist zugleich die Geschichte von Armaco.
Seit der Eröffnung haben über drei Millionen Menschen Ithra besucht. Das ist umso bemerkenswerter, weil Kino, Kunst, Musik und vieles mehr im Ithra bis zum Machtantritt des Kronprinzen nach islamischem Glauben verboten, "haram", war. MbS will bis 2030 gegen 100 Millionen Touristen ins Land holen. Vor der Pandemie reisten 20 Millionen Personen nach Saudi-Arabien, wobei es sich praktisch ausschliesslich um Pilger nach Mekka und Medina handelte. Nun soll der nichtreligiöse Tourismus mit allen Mitteln angekurbelt werden.
Ithra mit nächtlichem Lichtspiel |
Als wir Ithra beim Eindunkeln verlassen, bietet sich uns ein wahres Farbspektakel. Nun, wie ich bereits im ersten Eintrag festgehalten habe: Meine Reise nach Saudi-Arabien bot sehr vieles aus der Vergangenheit des Wüstenstaates. Nach meinem Geschmack etwas zu viel, aber über zwei eindrückliche Abstecher möchte ich in den nächsten Beirägen berichten.
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