Pinguine am Strand von "The Neck" auf Saunders Island |
Falkland besteht aus rund 200 Inseln. Klar, dass wir einige besuchen wollen. Wir haben uns im Voraus für zwei Ausflüge entschieden: Für die Saunders Insel, die in der nordwestlichsten Ecke von Westfalkland liegt. Und für die Sea Lion Insel in der südlichsten Ecke von Ostfalkland.
Die Seelöwen-Insel müssen wir vom Programm streichen. Sie ist zum Sperrgebiet erklärt worden. Grund: Die Vogelgrippe breitet sich im Südatlantik aus. Bei mehreren Eselspinguinen wurde der tödliche H5N1-Erreger nachgewiesen, der offenbar von Zugvögeln aus Südamerika eingeschleppt worden war.
Also geht es vorerst einmal nach Saunders. Glücklicherweise gilt auch hier: Der Weg ist das Ziel.
FIGAS: Das praktische Lufttaxi auf Falkland |
Er fängt auf dem kleinen Flugplatz östlich der Hauptstadt Port Stanley an. Von hier fliegt die Falkland Islands Government Air Service, kurz FIGAS genannt in alle Windrichtungen mit Kleinflugzeugen des Typs Britten-Norman Islanders. Neun Personen plus Pilot haben Platz. Einen fixen Flugplan gibt es nicht, die Maschinen fliegen, wenn die Nachfrage da ist. Also ein kommunes Lufttaxi.
Das Check-in besteht im wesentlichen darin, sich samt Gepäck auf eine Waage zu stellen und das Ticket zu bezahlen. Dann wartet man, bis die Maschine auf dem Rollfeld auftaucht.
Langeweile kommt nicht auf. Eine Liste gibt Auskunft, wieviel der Transport von frischen Nahrungsmitteln (Eier, Fleisch usw.) kostet - 0,8 Pfund pro Kilo. Etwas ins Grübeln geraten wir beim nächsten Posten: Hunde, Ziegen und Schafe kosten 15 Pfund pro Weg. Deutlich günstiger sind Katzen, Hühner und Gänse: Sie kosten 1.30 Pfund pro Kilo. Bleibt die Frage, wozu man ein Schaf in der doch kleinen Maschine transportiert.
FIGAS-Pilot Andrew gibt Sicherheitsanweisungen zum Flug |
Mittlerweile ist unsere Maschine startklar. Unter Flugangst sollte man nicht leiden. Je nach Witterungsverhältnissen rüttelt und schüttelt es im Flieger, dafür ist die Aussicht von oben auf Seen, Berge, Buchten und das azurblaue Meer nach karibischer Art phänomenal.
Nach mehreren Zwischenstopps landen wir schliesslich auf Saunders Island auf einer Graspiste. Am Pistenende steht eine Wellblechhütte mit einem knatternden Windsack. (Wir werden erst später erfahren, dass in der Hütte, die neben jedem Flugfeld steht, ein kleines Löschfahrzeug steht - für allen Fälle.) David Pole-Evans, der die einzige Lodge auf der Insel an Touristen vermietet, erwartet uns in seinem Range Rover. Das bullige Fahrzeug gehört zur Grundausstattung eines jeden Falkland-Haushaltes.
Das Settlement auf Saunders Island |
Nach kurzer Zeit erreichen wir das Settlement, was sich am besten mit unseren Weilern im Emmental vergleichen lässt. Ein oder zwei Wohnhäuser mit Nebengebäuden und Ställen. Nachdem wir unser Gepäck in unserer Lodge deponiert haben, die sich als gewöhnliches Wohnhaus mit mehreren Schlafzimmern, einem Wohnzimmer, einem Esszimmer, einer Küche und einem Badzimmer mit Toilette erweist, geht es weiter auf eine längeren Autotour mit David.
Unser Haus von hinten... |
...und von vorn |
Die hat es in sich: David erklärt uns beiläufig, dass die Insel ihm gehöre. Wir trauen unseren Ohren nicht: Saunders ist die viertgrösste unter den Falklandinseln und misst 132 Quadratkilometer. In unseren Köpfen wirbelt es: Appenzell Innerrhoden hat 173 km2, Basel Stadt 37 km2. Beide rangieren am Schluss der eidgenössischen Rangliste.
Davids Familie war vor über 70 Jahren auf die Insel gezogen. Als der frühere Besitzer 1987 die Insel zum Verkauf anbot, interessierte sich Davids Vater für den Kauf. Doch die Banken mochten dem alten Herrn keine Hypothek gewähren. Also sprang Sohn David ein. Vater und Sohn, die Zeit ihres Lebens auf der Insel gewohnt hatten, kauften die Insel gemeinsam. Seit dem Tod seines Vaters im Jahr 2010 ist David alleiniger Besitzer.
Derzeit wohnen nur noch vier Personen auf der Insel. Eine der zwei Töchter hat die benachbarte Keppel Insel gekauft.
Auf Davids Land grasen 7000 Schafe, 200 Rinder und einigen Pferden. Die Schafe liefern vor allem Wolle, die, so erklärt David, besonders wertvoll sei, weil es auf Falkland praktisch keine industrielle Verschmutzung gebe. Die Wolle sei nach der Reinigung so weiss wie kaum eine andere Schafwolle. Pech für David und die anderen Schafzüchter: Die Preise für Schafwolle sind international im Sinken. Immerhin verdient er derzeit noch immer 28'000 Pfund.
Auf die Idee, die Wolle aus Falkland speziell zu bewerben ist noch niemand gekommen.
Die Landenge "The Neck" mit dem Mount Harston |
Nach rund einer Stunde erreichen wir "The Neck", eine schmale Landverbindung mit Sandstränden auf beiden Seiten. Als erstes fällt ein alter Metallkessel am Strand auf. Laut David waren hier einst Robbenfänger an der Arbeit. "The Neck" war einer der vielen Orte im Südatlantik, die ins Visier von Robbenfängern aus dem Norden geriet. Fell und Fett waren begehrt in Europa und China, die ersten Raubzüge von Robbenfängern soll 1764 auf den Falklandinseln stattgefunden haben.
Als die Schlächterei irgendwann ein Ende hatte, sollen die Robbenfänger "The Neck" in Brand gesetzt haben, um die schauerlichen Überreste zu vernichten. Schon zuvor hatten sie den Tussock, wie die hohen und dichten Grasbüschel genannt werden, ausgerissen, damit die Robben sich nicht darin verstecken konnten.
Aus dieser Zeit des Abschlachtens blieb einzig der schwere Metallkessel übrig, in dem das Robbenfett aus dem Fleisch gewonnen wurde.
Kupferkessel zur Gewinnung von Robbenöl. |
Heute ist diese Ecke Davids beste Einnahmequelle neben der Schafwolle. Erstmals 1996 tauchten Kreuzfahrtschiffe bei seiner Insel auf. "The Neck" war ein idealer Platz. Hier brüten verschiedene Pinguinarten und Albatrosse. Die Kreuzfahrtschiffe können auf beiden Meerseiten ankern und die Gäste per Zodiac auf den Landstreifen bringen.
Eselspinguine |
Schwarzbrauenalbatrosse mit Jungen |
Bei unserem Besuch sind glücklicherweise keine Kreuzfahrtschiffe da. Wir haben die faszinierende Landschaft für uns allein. Wir steigen einen Hang hoch, der gut markiert ist und dafür sorgt, dass die Menschen den Tieren nicht zu nahe kommen. Magellanpinguine, Eselspinguine, Felsenpinguine, verschiedene Kormoranarten und der seltene Schwarzbrauenalbatros nisten hier. Und immer mal wieder taucht ein Schaf auf.
Starke Winde fegen über die feinen Sandstrände, kleine Pinguingruppen watscheln im Sandsturm vorbei, was aus der Ferne ein surreales Bild ergibt. Weit oben am Hang klebt ein Container, der von David zu einer Hütte umgebaut wurde und von Touristen gemietet werden kann. Vier Personen können hier nächtigen.
Pro anlandendem Schiffspassagier kassiert David 20 Pfund. Saunders Island liegt seit längerem auf Platz zwei der am meisten angefahrenen Orte auf den Falkland Islands. Bei 50 bis 70 Kreuzfahrtschiffen, die pro Saison hier ankern, kommt damit eine ansehnliche Summe für David und seine Familie zusammen.
Grund zum Feiern? Sicher. Doch David plagten bei unserem Besuch ganz andere Probleme. Seine rechte Hüfte ist kaputt. Tapfer fährt er uns durch sein Reich, die Krücken liegen neben seinem Sitz. Doch die zahlreichen Gattertore müssen auf seinen inständigen Wunsch hin von den Gästen geöffnet und wieder geschlossen werden. Kollege Stefan wird zum Gatekeeper ernannt.
Was uns einen Blick auf das Gesundheitssystem auf Falkland erlaubt. Das kleine Spital in Port Stanley ist auf unkomplizierte Fälle ausgerichtet. Alles andere, insbesondere Operationen müssen im Notfall in Chile oder Uruguay, den nächstliegenden Ländern von Falkland ausgeführt werden.
Für David hat das britische Gesundheitssystem NHS eine weitere Lösung parat : David wird demnächst kostenlos nach Southampton in Südengland fliegen und sich dort - ebenfalls kostenlos - ein neues Hüftgelenk einbauen lassen. Seine Frau Suzan hat den Eingriff bereits hinter sich - mit Erfolg, wie wir sehen, als wir sie kennenlernen.
Suzan und David Pole-Evans in ihrem unkonventionellen Dorfladen |
Am Abend erst realisieren wir, dass wir uns selber verpflegen müssen. Kein Problem, die Familie Pole-Evans führt auch den "Dorfladen". Der allerdings sorgt beim ersten Betreten für ein Schockerlebnis: Es herrscht ein riesiges Durcheinander zwischen den Regalen, leere Kartons und Verpackungsabfall liegt herum, man stolpert über Kisten. Nach dem ersten Schreck erkennt man: Eigentlich gibt es hier alles zu kaufen. Die Ware ist sauber abgepackt, in der Tiefkühltruhe gibt es vorgekochte Mahlzeiten, die, so nehmen wir an, von Suzan Pole und ihren Töchtern zubereitet wurden. Und in einem dunklen Nebenraum stehen Weinflaschen auf dem Regal.
Koch Stefan an der Arbeit |
Unser Esszimmer. Und immer grüssen die Schafe. |
Das vom Gate-Opener und Koch Stefan zubereitete Essen war exzellent: Curry mit Fleisch und Curry mit Gemüse plus einen ausgezeichneten Rotwein - der Abend war gerettet.
In der guten Stube fand ich einen grossen Fotoband über die Insel. Die Autoren, drei junge Ostschweizer, waren 2001 während dreier Monate auf den Falklands herumgereist und verbrachten dabei auch eine längere Zeit bei David auf Saunders. Das Werk der Hobbyfotografen wurde 2002 veröffentlich.
Die damals 11 jährige Tochter Carole von Suzan und David bei der Schafschur. Das Bild stammt aus dem Fotoband und wurde 2001 aufgenommen. |
Im Buch stosse ich auf ein Bild von Davids Tochter Carole. Die damals Elfjährige half bei der Arbeit auf dem Hof mit, besass schon damals einen eigenen Quad, mit dem sie Schafe zusammentrieb. Alle sechs Monate kam ein Lehrer für zwei Wochen auf die Insel und unterrichtete Carole. In der Zeit dazwischen erhielt Carole jeden Tag eine halbe Stunde lang Unterricht per Telefon.
Und immer grüssen Schafe? Nicht immer. Am Morgen schauen zur Abwechslung Pferde bei uns vorbei. |
So, und zu guter Letzt noch ein Crashkurs zur Geschichte von Saunders Island. Sie ist so verwirrend oder sollte man besser sagen, irre, wie die Geschichte von ganz Falkland.
Als der Brite John Byron 1765 Saunders Island und andere Inseln für König Georg III. in Besitz nahm, wusste er nicht, dass die Franzosen die Falklands bereits in Besitz genommen hatten mit einer Niederlassung in Port Louis, ebenfalls auf Westfalkland. Während Byron auf Saunders Island den Hafen Port Egmont gründete, ging die französische Kolonie 1767 an Spanien über. Wir wissen nicht, ob Byron davon wusste. Das realisierte er zweifellos 1770. Eine spanische Flottille besetzte Port Egmont und vertrieb die Briten. Es drohte ein Krieg zwischen dem Königreich und Spanien. Nach langen Verhandlungen zwischen Grossbritannien, Frankreich und Spanien gab Madrid Port Egmont zu Gunsten der Briten auf.
1774 gaben die Briten Port Egmont aus wirtschaftlichen Gründen auf und wohl auch, weil sie auf der anderen Globushälfte alle Hände voll zu tun hatten. Ihre dreizehn Kolonien in Nordamerika erhoben sich gegen das Empire und kämpften um ihre Unabhängigkeit.
In Port Egmont blieben eine Fahne und eine Bleiplakette zurück, auf der der Anspruch auf die Insel festgehalten wurde.
Erst 1832 kehrten die Briten nach Port Egmont zurück. Im selben Jahr nahm das britische Empire die gesamte Inselgruppe in Besitz. Von Port Egmont gibt es laut David kaum mehr etwas zu sehen - ausser natürlich der berühmten Bleiplakette.
Am Nachmittag fährt uns der Herr über 132 Quadratkilometer Land zur eigenen Landebahn zurück, wo uns wenig später die FIGAS aufliest und nach Port Stanley zurückbringt.
Blick zurück auf Settlement und Flugpiste auf Saunders Island |
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