Der zweitletzte Tag im Kongobecken gehört ganz der autochthonen Bevölkerung, wie die Pygmäen politisch korrekt genannt werden müssen. Diese kleinwüchsige Bevölkerungsgruppe lebte schon immer in der Regenwaldzone Afrikas.
Unser Besuch gilt den Baka, die in einem Dort nicht weit entfernt von unserer Lodge leben. Sie werden uns zeigen, wie sie jagen, was sie im Urwald sammeln und wie Wassertrommeln tönt.
Gemäss der populationsgenetischen Forschung gehören die Pygmäenvölker zu den ältesten Völkern der Erde. Insbesondere die Baka gehören zusammen mit den südafrikanischen !Kung-San zu den direkten Nachfahren der ältesten Homo-sapiens-Population der Erde.
Auf DIESEN Empfang haben wir uns allerdings nicht vorbereitet. Kaum fahren unsere drei Fahrzeuge in ihrem Dorf vor, rennen uns mit Netzen behängte Frauen, Männer und johlende Kinder in einem unglaublichen Tempo aus allen Ecken entgegen. Sie wollen unbedingt in den Autos mitfahren.
Wir dürfen sie auf die Jagd begleiten, doch zuerst machen sie Jagd auf einen Platz in unseren Autos. |
Mein Fahrer steht am Rande eines Nervenzusammenbruchs. Weil sie in den zwei anderen Fahrzeugen kaum Platz finden, wollen sie alle auf die Laderampe seines Pickups. Immer wieder schreit er zum Fenster raus und versucht die Menge zu verscheuchen. Am Schluss stehen und sitzen 15 Baka. Schwer beladen geht es nun auf einer mit Schlaglöchern übersäten Urwaldpiste zu jenem Waldstück, wo die Jagd stattfinden soll.
Auf dem ganzen Weg ertönt ein dreistimmiger Gesang. Musik, so erfahre ich später, spielt bei den Baka eine wichtige Rolle. Fast zu jeder Gelegenheit stimmen Männer und Frauen ihre Gesänge an. Kein Wunder, dass die UNESCO dieses Tradition zum Immateriellen Kulturerbe erklärt hat.
Kaum haben wir die Jagdgründe erreicht, schneiden sie erst einmal Zweige ab, stimmen einen weiteren Gesang an und schlagen tanzend mit den Zweigen auf den Boden. Das soll die Waldgeister gut stimmen, erklärt unser Guide.
Insgeheim denke ich, dass die jagdbaren Tiere ob dieses Lärms längst alle Reissaus genommen haben. Und dann geht es auf ins Dickicht. Während die Baka in schnellem Tempo zwischen den Bäumen, Lianen und Büschen verschwinden - in aller Regel nur mit Gummisandalen bewehrt, stolpern und klettern die Touristen in ihrem festen Schuhwerk über Wurzeln und umgefallene Bäume.
Im undurchdringlichen Dickicht werden die langen Netze gespannt und dann schreien die Jägerinnen und Jäger in verschiedenen Tönen, um das Wild aufzuscheuchen. Nach 45 Minuten ist der Spektakel vorbei. Fangergebnis: Null Tiere.
Der Schaden hält sich in Grenzen, denn mit dem Entgelt des Reiseveranstalters für diese Darbietung können sie sich mittlerweile im Dorf eindecken.
Mit den Darbietungen ist es allerdings noch nicht vorbei: Nun zeigt uns die Jagdgesellschaft, wie sie die Fangnetze aus Pflanzenfasern herstellen. Und die Frauen demonstrieren uns, wie man aus Blättern, Rinden und Baumsäften Heilmittel gewinnt. Diese "Apotheke" reicht von Tropfen für Ohrenleiden, Blättern gegen Bauchbeschwerden wegen Würmern, Baumsäften gegen Menstruationsbeschwerden und Baumpulver das das Liebesleben von Mann und Frau auf Touren bringen soll.
Dieses Aphrodisiakum wird hier mit der Machete vom Baum geschält.
Kann man verdursten im Urwald? Nicht, wenn man sich mit Lianen auskennt und eine Machete dabei hat. Die armdicken Lianen werden in 50 cm lange Stücke geschnitten. Dann neigt man den Kopf nach hinten und hält sich das Stück über den offenen Mund. Und heraus fliesst frisches Wasser, das in der Pflanze reichlich gespeichert ist.
Zum Schluss wird im Rekordtempo eine Waldhütte errichtet und das vollendete Werk mit Tanz und Musik gefeiert. https://youtu.be/4dqqV5cxI0Q
Und dann geht es zum Abschluss dieses phantastischen Ausflugs mit den Fahrzeugen zu einem kleinen See in der Nähe des Dorfes, wo uns die Pygmäen ein weiteres Highlight ihrer musikalischen Kultur zeigen: das Wassertrommeln. Und das tönt dann so: https://youtu.be/0Ey2qUFYTlk
Epilog auf diesen Tag
Die Kultur der Pygmäen verschwindet allmählich, weil ihr traditioneller Lebensraum durch Abholzung, Brandrodung und Ausdehnung der Siedlungsflächen verschwindet. Die Baka wie andere Pygmäen-Gruppen werden zur Sesshaftigkeit gezwungen und fristen vielenorts ein Randdasein als billige Arbeitskräfte für die normalwüchsige Bevölkerung, in deren Dörfer sie leben. Im Gespräch mit Ortskundigen ist zu erfahren, dass überdies Alkoholkonsum ein verbreitetes Problem sei. Und auch die Kleinwüchsigkeit verschwindet, weil Pygmäen immer mehr Partnerschaften mit Normalwüchsigen eingehen.
So, das wars dann aus Afrika. |
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