Mittwoch, 30. April 2025

Bhutan I: Vom blühenden Rhododendron in den Schneesturm (30. März bis 21. April 2025)

Als ich vor bald drei Jahren zum ersten Mal nach Bhutan reiste, gab es praktisch nur ein Einfallstor: Der internationale Flughafen in Paro, ganz im Westen des Landes gelegen. Das hatte zur Folge, dass die Reisenden ihre Besichtigungstouren vor allem in der westlichen Hälfte des Landes machten, wo auch die Hauptstadt Thimpu liegt. 

Der Osten des Himalaya-Landes war damals weitgehend vom Tourismus ausgeschlossen. Ein wesentlicher Grund: Die Flugverbindungen vom Paro nach Jakar und vor allem nach Yonphula ganz im Osten glichen einer Lotterie. Und sie sind es noch heute. Die meteorologischen Verhältnisse lassen Flüge nur sehr unregelmässig zu. Und für die Alternative, eine lange Reise auf der einzigen Ost-West-Strassenverbindung, braucht es viel Zeit, was die meisten Bhutan-Reisenden nicht haben. 

Seit Oktober 2024 ist Ostbhutan für Besucherinnen und Besucher endlich näher gerückt. Der lange Zeit geschlossene butanesische Grenzübergang Samdrup Jonghkar wurde wieder geöffnet. 

Reisende können seither aus der Schweiz nach New Dehli und von dort in zweieinhalb Stunden nach Guwahati in Nordostindien fliegen und erreichen dann auf einer gut ausgebauten Strasse mit einem Taxi in wenigen Stunden den indischen Grenzort Darangamela. 


Wenn Beamte nicht mitspielen

Voller Vorfreude steuerten meine beiden Mitreisenden, darunter Christine Jäggi, die über ihr Berner Reisebüro Onthewaytours die Bhutan-Tour organisiert hat, den Grenzübergang an.

Lass dich nie aus der Ruhe bringen! Wer diese Devise nicht kennt, sollte sie spätestens auf einer Reise in diese Weltgegend verinnerlichen. 

Als wir nach 18 Uhr beim indischen Zollamt vorfuhren, waren die Lichter ausgeschaltet. Die Beamten genossen bereits ihren Feierabend. Und dies, obwohl in international zugänglichen Informationen steht, dass der Grenzposten rund um die Uhr offen sei. Der Postenchef reagierte nicht auf die Anrufe von Christine. 

Und so mussten wir notfallmässig in Darangamela ein Hotel suchen. Die Nacht wurde kurz, weil alle Hunde in der näheren und weiteren Umgebung zum nächtlichen Gebell ansetzten. (Da Hunde keine Grenzen kennen, wurden wir in den folgenden Wochen auch auf bhutanesischer Seite fast jede Nacht von den Vierbeinern beschallt.)

Am Morgen danach knallten die indischen Beamten die Stempel zügig in unsere Pässe. Der bhutanesische Beamte in Samdrup Jonghkar hingegen sah das anders. Er pochte bei einem von uns dreien auf einen Papierausdruck des Visums im Pass. Das kostete sehr viel Zeit, weil zuerst ein Drucker gesucht werden musste. Unser bhutanesischer Guide Ugyen Wangchuk, der uns zuvor in Empfang genommen hatte und uns die nächsten drei Wochen coachen würde, tat sein Möglichstes. Der Beamte blieb bei seinem Vorhaben. 




Ugyen und Dozhi, unsere Begleiter auf der Reise durch Ostbhutan. Sie sorgten für Teepausen und vieles mehr unterwegs.




Mit viel Verspätung konnte das Abenteuer Ost-Bhutan dann doch noch in Angriff genommen werden. Der erste Höhepunkt dieser Reise sollte das alpine Trecking von Merak nach Sakteng sein. Würde ich die Wanderhöhe von knapp 4160 m problemlos schaffen? Ich hoffte es sehr. 

Auf dem Weg nach Merak, dass auf 3570 m Höhe liegt und mit Sakteng zu den östlichsten Orten in Bhutan gehört, landeten wir zu unserer grossen Freude unversehens auf einem riesigen Festplatz: Das jährliche Rhododendron-Festival, das sieben Tage dauert, war voll im Gange.

Pfeilbogenschützen und Schönheitswettbewerb

In diesem abgelegenen Hochland wachsen unzählige Rhododendron-Bäume. Von den über 46 Arten in Bhutan sollen allein hier gegen 40 Spezies zu finden sein. Wir spazierten über das hügelige Gelände, wo sich täglich weit über Tausend Menschen einfinden. Sie breiten ihre Decken auf dem Boden aus und folgen den musikalischen Darbietungen. Zahlreiche Stände mit Textilien, Kunsthandwerk und lokalen Speisen laden zum Flanieren ein.  


Sieben Tage lang wird gefeiert....


...und gefestet.



Spass unter dem Rhododendronbaum


Am Rande des Festgeländes fand ein Turnier unter Pfeilbogenschützen statt. Das Bogenschiessen ist der Nationalsport von Bhutan. Beim Schauen kam man als Laie bald einmal ins Rätseln. Im weit entfernten Zielhang gab es zwar Holzwände zu Schutz der Männer, welche die Einschüsse in die Zieltafel kontrollieren und das Ergebnis laut gestikulierend melden. Ins Bogenschiessen mischen sich übrigens immer mehr Frauen ein. 


Pfeilbogenschiessen, Bhutans Nationalsport



Im Zielhang hält man sich nicht mit Sicherheitsfragen auf


Doch niemand suchte Schutz. Im Zielhang hatten sich auch Zuschauer häuslich niedergelassen und verfolgten das Treiben aus der Nähe. 

Weitaus weniger gefährlich erschien uns da die Wahl der Miss Bropka, die im Zentrum des Festgeländes stattfand. 



Wer ist die schönste Bropka in Ostbhutan? 


Kleiner kulturhistorischer Exkurs: Die Brokpa stammen aus dem Tibet. Der Legende nach sollen sie im 15. Jahrhundert in den Süden ausgewandert und eine neue Heimat gesucht - und sie später in Merak und Sakteng gefunden haben. Ihr Lebensstil gilt als halbnomadisch. Sie züchten Yaks und stellen unter anderem fermentierten Yakkäse her. Auch wird die Yak-Wolle für Textilprodukte weiterverarbeitet. 

Die älteren Brokpa-Frauen fallen vor allem durch ihre farbenfrohen Kleider und durch ihre Kopfbedeckung namens Tripee Cham auf, einem schwarzen Filzhut mit Fransen. Gerne präsentieren sie auch ihren zahlreichen Schmuck, der unter anderem aus Korallen gefertigt wird. 



Unsere Gastgeberin in Merak (r.) mit der typischen Bropka-Haartracht


Auf der Weiterfahrt setzten sich zwei Brokpa-Frauen zu uns ins Auto. Die eine würde uns die nächsten zwei Tage in ihrem Haus beherbergen, wie wir erfuhren. 

Als wir in Merak schliesslich ausstiegen, war es sehr kalt geworden. Das Gästehaus bestand aus drei Schlafzimmern und einem Aufenthaltsraum mit einem gusseisernen Ofen. Dazu gehörte eine Toilette, die aus der WC-Schüssel, einem Kübel kaltem Wasser sowie einem alten Oelfass bestand, das mit Regenwasser gefüllt und mit einem Schöpfgefäss ausgerüstet war. Wir ahnten es: Das Wasser im Fass diente zum Spülen des Toilette. Keine Heizung weit und breit. 


Wie wir zu Einheizerinnen und Einheizer wurden

Das vordringlichste Problem nach unserer Ankunft war die einzige Heizung in Gang zu bringen.  Unter kundiger Anleitung unserer Gastgeberin entwickelten wir uns im Nu zu Profi-Einheizerinnen. Und ich überdies zur verbissenen Türschliesserin. Wann immer unsere Wirtin auftauchte - was sie sehr oft tat, stets liess sie die Türe der geheizten Stube offen. 


Heizen als überlebenswichtigste Aktivität

Kälte ist für sie ganz offensichtlich ein Fremdwort. Kein Wunder, unter ihren farbigen Röcken trug sie lange Unterwäsche und dies offensichtlich in mehreren Schichten. 

Wenn wir nicht gerade auf einem Dorfrundgang waren, verbrachten wir die meiste Zeit in der geheizten Stube. Bei den Mahlzeiten gesellten sich jeweils der Guide Ugyen und der Fahrer Dozhi zur gemütlichen Runde dazu. 

Um in meinem eiskalten Schlafzimmer zu überleben, sammelte ich alle Wolldecken auf den zwei vorhandenen Betten ein und verkroch mit darunter. 

Die zwei Tage in Merak sollten der Akklimatisierung dienen. 

Am zweiten Tag im Bergdorf kippte unsere Stimmung. Auf einem ausgedehnten Spaziergang durchs Dorf und in die nähere Umgebung notierten wir die Wolken- und Nebelbänke, welche die Berge einhüllten. Wir diskutierten über das Für und Wider. Was bringt ein anstrengendes zweitägiges Trecking in dünner Höhenluft, wenn wir im Nebel stecken und nichts, aber auch gar nichts von der grandiosen Berglandschaft mitbekämen? Schliesslich sausten unsere Daumen nach unten. Die gedrückte Stimmung hielt allerdings nicht lange an. 


Kein Strom, dafür ein Schneesturm

Zurück in der warmen Stube fiel am Abend plötzlich der Strom aus, was in diesem Land nichts ungewöhnliches ist. In bester Laune präsentierten wir uns im Licht unserer Handys und machten auf Geisterbeschwörung, bis die Wirtin die fröhliche Runde mit einer Batterielampe "erhellte". 

Und dann lösten sich noch allfällig letzte Zweifel an unserem Entscheid ultimativ auf: Draussen tobte inzwischen ein veritabler Schneesturm. Über unser Fahrzeug legte sich eine dicke Schneedecke.



Unser Auto im Schnee


Als wir am nächsten Morgen Merak verliessen, präsentierten sich die Berge in einem weissen Kleid. Unser Guide hatte inzwischen erfahren, dass das Hochtal, in dem wir nach der Passüberquerung unsere Zelte aufgeschlagen hätten, zum Sumpfgelände geworden war. 


Der plötzliche Schneefall, der unser Trecking vereitelte.






 


 









Dienstag, 3. Dezember 2024

Kongo IX: Auf Abschiedstour mit den Pygmäen



Der zweitletzte Tag im Kongobecken gehört ganz der autochthonen Bevölkerung, wie die Pygmäen politisch korrekt genannt werden müssen. Diese kleinwüchsige Bevölkerungsgruppe lebte schon immer in der Regenwaldzone Afrikas.  

Unser Besuch gilt den Baka, die in einem Dort nicht weit entfernt von unserer Lodge leben. Sie werden uns zeigen, wie sie jagen, was sie im Urwald sammeln und wie Wassertrommeln tönt. 

Gemäss der populationsgenetischen Forschung gehören die Pygmäenvölker zu den ältesten Völkern der Erde. Insbesondere die Baka gehören zusammen mit den südafrikanischen !Kung-San zu den direkten Nachfahren der ältesten Homo-sapiens-Population der Erde.

Auf DIESEN Empfang haben wir uns allerdings nicht vorbereitet. Kaum fahren unsere drei Fahrzeuge in ihrem Dorf vor, rennen uns mit Netzen behängte Frauen, Männer und johlende Kinder in einem unglaublichen Tempo aus allen Ecken entgegen. Sie wollen unbedingt in den Autos mitfahren. 


Wir dürfen sie auf die Jagd begleiten, doch zuerst machen sie Jagd auf einen Platz in unseren Autos. 

Mein Fahrer steht am Rande eines Nervenzusammenbruchs. Weil sie in den zwei anderen Fahrzeugen kaum Platz finden, wollen sie alle auf die Laderampe seines Pickups. Immer wieder schreit er zum Fenster raus und versucht die Menge zu verscheuchen. Am Schluss stehen und sitzen 15 Baka. Schwer beladen geht es nun auf einer mit Schlaglöchern übersäten Urwaldpiste zu jenem Waldstück, wo die Jagd stattfinden soll. 

Auf dem ganzen Weg ertönt ein dreistimmiger Gesang. Musik, so erfahre ich später, spielt bei den Baka eine wichtige Rolle. Fast zu jeder Gelegenheit stimmen Männer und Frauen ihre Gesänge an. Kein Wunder, dass die UNESCO dieses Tradition zum Immateriellen Kulturerbe erklärt hat. 

Kaum haben wir die Jagdgründe erreicht, schneiden sie erst einmal Zweige ab, stimmen einen weiteren Gesang an und schlagen tanzend mit den Zweigen auf den Boden. Das soll die Waldgeister gut stimmen, erklärt unser Guide. 

Insgeheim denke ich, dass die jagdbaren Tiere ob dieses Lärms längst alle Reissaus genommen haben. Und dann geht es auf ins Dickicht. Während die Baka in schnellem Tempo zwischen den Bäumen, Lianen und Büschen verschwinden - in aller Regel nur mit Gummisandalen bewehrt, stolpern und klettern die Touristen in ihrem festen Schuhwerk über Wurzeln und umgefallene Bäume. 


Im undurchdringlichen Dickicht werden die langen Netze gespannt und dann schreien die Jägerinnen und Jäger in verschiedenen Tönen, um das Wild aufzuscheuchen. Nach 45 Minuten ist der Spektakel vorbei. Fangergebnis: Null Tiere. 

Der Schaden hält sich in Grenzen, denn mit dem Entgelt des Reiseveranstalters für diese Darbietung können sie sich mittlerweile im Dorf eindecken. 








Mit den Darbietungen ist es allerdings noch nicht vorbei: Nun zeigt uns die Jagdgesellschaft, wie sie die Fangnetze aus Pflanzenfasern herstellen. Und die Frauen demonstrieren uns, wie man aus Blättern, Rinden und Baumsäften Heilmittel gewinnt. Diese "Apotheke" reicht von Tropfen für Ohrenleiden, Blättern gegen Bauchbeschwerden wegen Würmern, Baumsäften gegen Menstruationsbeschwerden und Baumpulver  das das Liebesleben von Mann und Frau auf Touren bringen soll. 

Dieses Aphrodisiakum wird hier mit der Machete vom Baum geschält.  





Kann man verdursten im Urwald? Nicht, wenn man sich mit Lianen auskennt und eine Machete dabei hat. Die armdicken Lianen werden in 50 cm lange Stücke geschnitten. Dann neigt man den Kopf nach hinten und hält sich das Stück über den offenen Mund. Und heraus fliesst frisches Wasser, das in der Pflanze reichlich gespeichert ist. 








 
Zum Schluss wird im Rekordtempo eine Waldhütte errichtet und das vollendete Werk mit Tanz und Musik gefeiert. https://youtu.be/4dqqV5cxI0Q








Und dann geht es zum Abschluss dieses phantastischen Ausflugs mit den Fahrzeugen zu einem kleinen See in der Nähe des Dorfes, wo uns die Pygmäen ein weiteres Highlight ihrer musikalischen Kultur zeigen: das Wassertrommeln. Und das tönt dann so: https://youtu.be/0Ey2qUFYTlk

Epilog auf diesen Tag

Die Kultur der Pygmäen verschwindet allmählich, weil ihr traditioneller Lebensraum durch Abholzung, Brandrodung und Ausdehnung der Siedlungsflächen verschwindet. Die Baka wie andere Pygmäen-Gruppen werden zur Sesshaftigkeit gezwungen und fristen vielenorts ein Randdasein als billige Arbeitskräfte für die normalwüchsige Bevölkerung, in deren Dörfer sie leben. Im Gespräch mit Ortskundigen ist zu erfahren, dass überdies Alkoholkonsum ein verbreitetes Problem sei.  Und auch die Kleinwüchsigkeit verschwindet, weil Pygmäen immer mehr Partnerschaften mit Normalwüchsigen eingehen. 


So, das wars dann aus Afrika. 





 


    


 







Kongo VIII: Bei den Affen, Waldbüffeln und Elefanten


Standesgemässer Empfang in der Doli-Lodge

Nach einer achtstündigen Reise mit den Schnellbooten auf dem Sanghai erreichen wir am Abend die Doli-Lodge. Sie liegt am Rande des Nationalparks Dzanga-Sanghai am Flussufer in der Zentralafrikanischen Republik. Hier werden wir drei Nächte verbringen.

Was wohl Doli heisst? Antwort: Als wir von den Booten zur Rezeption wandern, erblicken wir in der Abenddämmerung drei Elefanten, die im weitläufigen Lodge-Anwesen ihr Futter zusammenrupfen. Da sie sich zwischen den auf Stelzen stehenden Lodges bewegen, müssen wir auf Anweisung des Personals so lange warten, bis sie sich in den nahen Urwald zurückziehen. Doli heisst Elefant...


Nach dem Zmorgen gibts Affen

Am Morgen geht es in den Urwald in ein Reservat, wo Mangaben-Affen leben. Der Pfad könne vielleicht etwas feucht sein, warnen uns die Guides. Tatsächlich müssen wir uns auf den ersten paar hundert Metern über Tümpel balancieren und über kleine Bäche springen. 

Nach etwa einer Stunde tauchen die ersten Mangaben auf. Zu dieser Affengattung gehören auch die Meerkatzen. 

Es ist faszinierend zu sehen, mit welcher Hingabe die Affen sich gegenseitig das Fell reinigen. Keine Körperstelle wird ausgelassen. Dazwischen bewegen sich Mütter mit ihren Kleinen auf dem Rücken durch die Bäume. Junge Männchen üben sich schon mal in Revierkämpfen und jagen sich mit wortwörtlichem "Affengeschrei" durch die Bäume. 







Auf dem Rückweg stossen wir auf eine Herde von Waldbüffeln, die auch Zwergbüffel heissen. Sie sind deutlich kleiner als die afrikanischen Büffel. 


Sie sollen ein schlechtes Sehvermögen haben. Warum nur starren sie uns so an? Mir gefallen auf jeden Fall die flauschigen Ohren. 





Nach dem Zmittag gibt's Waldelefanten - und wie!

Unser Ziel ist die Mbeli Bai, eine grosse Lichtung im Urwald. Hier trifft man auf Waldelefanten, Waldbüffel und gelegentlich auch auf grosse Urwaldvögel. 




Erst aber ist harte Arbeit angesagt. "Wir waten  durch einen Fluss, dann geht es bergauf," informiert uns der Guide. Er empfiehlt jenen, die keine Gummiüberzüge oder Stiefel bei sich haben, einfach die die Schuhe auszuziehen. Schuhe ausziehen und nicht wissen, worauf man tritt? Kommt nicht in Frage. 
















Also folge ich den Guides in meinen himmelblauen Wander-Ballerinas durch den Fluss. Geht ganz gut. Wir sind auf jeden Fall schneller als die Gummi- und Stiefelbeschuhten. 




















Dann geht es ins Dickicht. Gelegentlich sind querliegende Baumstämme zu überwinden. Vor uns schlägt ein lokaler Guide zu, was die Machete hält.  

Der stete Blick auf den Boden verhindert, dass man versehentlich in einer der vielen Ameisenstrassen stehen bleibt, um den Blätterhimmel ganz lange zu bewundern. Die Folgen sind umgehend am ganzen Körper zu spüren. Passierte mir mehrmals.             


Nach rund einer Stunde erreichen wir eine imposante hölzerne Aussichtsplattform. Ein letzter Aufstieg über steile Treppen - dann erfolgt das grosse Aha-Erlebnis: Unter uns erstreckt sich die Mbeli Bai mit Elefanten aller Grössen und aller Farben (dazu mehr später). 

Auf der Plattform sitzen zwei Wildhüter. Sie kontrollieren die Bestände, fotografieren Jungtiere und führen Statistiken. "Im Augenblick sind 119 Tiere hier", erklärt der eine. Die Plattform wird praktisch rund um die Uhr von Wildhütern besetzt. 


Montag, 2. Dezember 2024

Kongo VII: Eine rätselhafte Brücke blockiert unsere Fahrt nach Ouésso


Die ominöse Brücke, die jede Weiterfahrt verunmöglicht. 

Gemäss Programm führt unsere Reise von der Grenzstadt Ouésso aus mit den drei Schnellbooten auf dem Sangha zum Dreiländereck Kamerun - Zentralafrikanische Republik - Republik Kongo und weiter in die Zentralafrikanische Republik. Unser Ziel: Der Nationalpark Dzanga Sangha, wo wir drei Nächte in einer Lodge verbringen werden.  

Rund 5 km vor Ouésso versperrt eine überaus kuriose Brücke die Weiterfahrt. Sie ist so tief angelegt, dass selbst kleinere einheimische Transportschiffe keine Durchfahrtmöglichkeit mehr haben. 


Die Mannschaft sieht sich gezwungen,  die Aufbauten auf unseren Schnellbooten zu demontieren. Mit eingezogenen Köpfen dirigieren die Bootsführer die drei Boote unter der Brücke hindurch, die Dachaufbauten werden derweil über Land getragen und auf der anderen Seite wieder montiert. 







Ich nutze die Freizeit und spaziere zur Brücke. Auf beiden Seiten sind Sperren angebracht, die jedoch leicht geöffnet werden können. An beiden Brückenenden sind keine ausgebauten Zufahrtstrassen zu erkennen. 

Der gesamte Bauplatz wirkt verlassen.                                                                                                     




Auf unserer Seite steht ein abgetakelter Bagger. Er löst wenigstens ein Rätsel: Er gehört der China Road and Bridge Corporation (CRNC), wie ich auf dem Ungetüm lese. Womit klar wird, dass hier war die chinesische Regierung am Wirken war - oder noch immer ist - wie fast überall in Afrika. 






Der einsame Bagger bekommt eine neue Aufgabe zugewiesen: An ihm wird kurzerhand die "Princesse" an einem langen Stahlseil "verankert". 

Der Kapitän, heute nicht in seiner gelben Hose unterwegs, scheint mit der Vorgehensweise einverstanden zu sein.














Die Lösung des Rätsels habe ich ebenfalls erst nach meiner Rückkehr in die Schweiz lösen können. Demnach soll an dieser Stelle eine 616 m lange Brücke entstehen, welche über eine ebenfalls noch zu bauende geteerte Zufahrtstrasse von 47 km Länge die beiden Städte Ouésso und Pokola verbinden wird. 

Wie erinnerlich: In Pokola steht das grösste Holzverarbeitungswerk der Republik mit rund 30'000 Einwohnern. 

Der Auftrag ging für die Dauer von drei Jahren an den chinesischen Staatskonzern CRBC. Finanziert werden sollte das Projekt durch die Entwicklungsbank der Zentralafrikanischen Staaten. Gesamtkosten: 160 Millionen Dollar.

Am 20. Mai 2023 schritt Präsident Denis Sassou Nguesso im pompösen Outfit, einen kunstvollen Ebenholzspazierstock in der Hand, in Ouésso über den Roten Teppich, umgeben von Militärs und Ministern, um den Grundstein für das Infrastrukturprojekt zu legen. 

Die Chinesen stellten danach schon mal die kuriose Brücke hin. Diese, so las ich weiter, ist lediglich eine Konstruktionshilfe für den Bau der richtigen Brücke über den Sangha. Doch nun läuft vorderhand nichts mehr. Der Grund dafür, wie im August dieses Jahres bekannt wurde: Die Entwicklungsbank ist 18 Monate nach Baubeginn im Verzug mit den Auszahlungen - und dies nicht nur bei diesem Projekt. 

Wird das Vorhaben jemals ein erfolgreiches Ende finden? Auf jeden Fall dürfte vorerst auch keine Hilfe  aus China kommen. Seit Monaten reduziert Peking seine Kreditvergabe deutlich. Denn auch Chinas Wirtschaft kommt nicht in Gang und die chinesischen Kommunen haben selber enorme Schuldenprobleme.





Die gravierenden Folgen tragen die kleinen und grossen Unternehmen entlang des Sangha Rivers, wie wir in Ouésso beobachten können. Eine einzige in die Jahre gekommene Fähre verbindet die Stadt mit dem gegenüberliegenden Ufer. Eine zweite Fähre, die halb umgekippt an Land liegt, scheint schon lange nicht mehr in Betrieb zu sein. 

Pro Fahrt über den Fluss kann lediglich ein 
Schwertransporter aufgeladen werden. 



 

Die Anlegestelle auf der anderen Flussseite, die Zufahrtsstrasse ist eine Piste. 

Die Lastwagen stauen sich bis zu vier Tage auf beiden Flussseiten, bis sie mit der Fähre rüber können.  










Und hier noch ein Nachtrag: Im Juli/August 2024 wollte die "Princesse" mit 26 Gästen an Bord von Ouésso nach Brazzaville fahren. Nur wenige Kilometer nach dem Start blieb sie auf einer Sandbank stecken. Nach zwei Tagen zeigte sich: Das Schiff ist nicht zu deblockieren. Die Gäste wurden an Land verfrachtet und mussten auf der Strasse die "Flussreise" machen. 

Daniel Ducrot, der Besitzer des Reisebüros, das die "Princesse" gechartert hat, soll laut einem Artikel in der FAZ vom 10. Oktober bei den Baubehörden der Brücke um einen Baustopp gebeten haben. Wegen des steigenden Wasserpegels bestand Hoffnung, dass das Schiff bald wieder manövrierfähig sein würde. Andernfalls wäre die "Princesse" für immer hinter der Brücke eingesperrt gewesen. 

Und so geschah es, das Schiff kam schliesslich kurze Zeit danach frei. Die Brücke wurde vollendet und liegt nun im Dornröschenschlaf....


Kongo VI: Schnappschüsse von einer langen Flussreise


Abendstimmung auf dem Kongo. 

So mächtig der Kongo ist - im Vergleich zu anderen Flüssen tut sich vergleichsweise wenig auf dem Wasser.  

Als ich im Oktober ebenfalls auf einem Passagierschiff in Nordvietnam den Roten Fluss von der Einmündung ins Meer bis zur Hauptstadt Hanoi im Landesinnern bereiste, herrschte Tag und Nacht in beiden Richtungen ein starker Warenverkehr auf dem Strom, der in China entspringt. 

Auf dem Kongo begegnet man auf weiten Strecken nur Fischern in ihren Pirogen. Und gelegentlich setzen grössere Pirogen mit einigen Passagieren von einem Ufer ans andere über. 

Geschäftiger wird der Verkehr meist nur in der Nähe von grösseren Orten. Dann erblickt man in die Jahre gekommene Flussschiffe, die nach unserer Einschätzung völlig überladen mit Waren und Menschen vorbeituckern. 

Hier einige Schnappschüsse. 


Kommt uns im strömenden Regen und mit dicker Abgaswolke entgegen. 




Zu den Gepflogenheiten auf dem Kongo gehört, dass man sich höflich zuwinkt, wenn man sich kreuzt. Gelegentlich wird allerdings auch die Faust gemacht - dann, wenn die kleinen Transporter durch die Bugwellen der "Princesse" und vor allem durch unsere Schnellboote gefährlich ins Wanken geraten. 








Vollbepackter Personen- und Gütertransporter. Im behelfsmässigen Wellblechaufbau im Heck des Schiffes befindet sich die Toilette. 

 

Auch im Zusammenbinden von schwimmenden Transportern beweisen die Kongolesen eine grosse Phantasie. 





In der alten Kolonialstadt Mossaka herrscht an der Anlegestelle absoluter Dichtestress. Überladene Frachter entladen hier Ware oder laden neue auf. Die Händlerinnen und Händler leben hier auf engstem Raum zusammen.





 

Der Mann und seine vier Hunde, die er für die Jagd einsetzt, haben es da vergleichsweise gemütlich. 






Nach Mossaka biegt die "Princesse" in den Sangha-Fluss ein, auf dem wir die nördlichste Stadt von Kongo-Brazzaville erreichen werden: Ouésso, die Grenzstadt zum Nachbarstaat Kamerun. Der Ort liegt im Kongo-Becken, wo der zweitgrösste Regenwald der Welt stehen soll. 

Wie im Amazonas, so fräsen sich allerdings auch hier die Motorsägen unerbittlich durch die Wälder. Im Ort Pokala am Sangha tuckern wir am grössten Holzverarbeiter  der Republik Kongo vorbei. Auf einem riesigen Gelände lagern gefällte Bäume. In grossen Produktionshallen werden die Tropenhölzer verarbeitet zu Produkten für die Möbel- und Bauindustrie. 

An einer Quaimauer lese ich das Kürzel "CIB". Auch dieses Rätsel kann ich erst lösen, nachdem ich wieder Internetverbindung habe. "Congolaise Industrielle des Bois". 


 
Kleiner Ausschnitt aus der immensen Anlage in Pokala.


Das Unternehmen gehört mehrheitlich der Investmentfirma Temasek in Singapur, die der Regierung des asiatischen Stadtstaates gehört. Dazwischen geschaltet ist das börsenkotierte Unternehmen Olam Agri, ein Lebensmittel- und Agrarunternehmen, das in 60 Ländern tätig ist und weltweit Kunden mit Lebensmitteln und Industrierohstoffen beliefert. Dazu gehören unter anderem Kakaobohnen und -produkte, Kaffee, Baumwolle und Reis. Und eben Tropenhölzer. 

Das Rohstoffunternehmen hat auch eine Vertretung in der Schweiz namens Olam Global Agri Swiss mit Sitz in Nyon.

Und schliesslich gibt es auf einem Schiff auch immer mal wieder etwas zu feiern. Zum Beispiel am 11. November. Um 19.15 überqueren wir den Äquator und die Mannschaft lässt die Korken knallen, auf dass wir alle miteinander anstossen können.  








 







 









V


 



Kongo V: Die Königin gewährt uns Audienz

Als junge Frau hiess sie Ngassié, dann wurde ihr der Name Ngalifourou gegeben. Die wohl berühmteste Königin der Betéké hatte das Amt über 70 Jahre in.  


Am zweiten Tag unserer langen Reise auf dem Kongo kommt es in Ngabé zum ersten Landgang nach Brazzaville. Uns steht ein besonderes Ereignis bevor: Wir werden von  Königin Ngalifourou empfangen. 

Dass es in Kongo-Brazzaville eine Königin geben sollte, war mir bis zu diesem Augenblick nicht bewusst. Zumal das Land im eisernen Griff des Staatspräsidenten Denis Sassou Nguesso ist. 

Hier deshalb ein kleiner Crash-Kurs in Geschichte, den ich mir mangels Internet auf dem Schiff auch erst zu Hause zusammensuchen konnte.  

Ngabé war früher ein wichtiger Ort des Königreichs Batéké in der Region Mbé nördlich der heutigen Hauptstadt Brazzaville. Bereits im 15. Jahrhundert galten die Batéké als erfolgreiche Händler, die ihre Ware auf den Flüssen transportierten. Sie waren bereits aktiv im Sklavenhandel tätig, als der Portugiese Diogo Cao als erster Europäer die Kongo-Mündung erreichte und erstmals Kontakt zu den Batéké herstellte. 

Die Batéké kontrollierten im 17. Jahrhundert auch Kupferminen, an denen die Europäer besonders interessiert waren. 

Drei Jahrhunderte später trat Entdecker Pierre Savorgnan de Brazza in Kontakt mit Iloo Makako, wie der damalige Batéké-Konig hiess. Dabei lernte Brazza auch die erst 15 jährige Gattin von Makoko, Ngassiè, kennen. Die Frau genoss wegen ihrer ausserordentlichen Intelligenz und ihres starken Einflusses auf ihren viel älteren Gatten grossen Respekt. 

Hier ein Auszug aus einer Biografie über die bemerkenswerte Frau:

Ihre Aufgabe ist nicht leicht. Nicht nur muss sie zeigen, wozu sie fähig ist, sie muss sich auch durchsetzen (...) in dieser teuflischen Männer-Maschine. Sie wartet nicht darauf, dass ihr das Wort erteilt wird, sie ergreift es - den bohrenden Blicken aus dem Hofstaat des Königs zum Trotz. (...) Angesichts der Demonstration von Stärke der sie umgebenden Alphamänner bleibt ihr nichts anderes übrig, als die Kraftprobe zu bestehen."

Die unbeugsame Frau war auch daran beteiligt, als ihr Gatte Iloo Makoko einen Vertrag mit de Brazza signierte, wodurch das Batéké-Gebiet an Frankreich fiel und  zum Grundstein von Französisch-Kongo wurde. Sie wird die erste Frau eines Betéké-Königs sein, die den Namen Ngalifourou erhält, was soviel wie "Besitzerin der Asche" heisst. Fortan galt sie als oberste spirituelle Hüterin des Betéké-Reichs.

De Brazza war von Ngalifourou so beeindruckt, dass er ihr ein Schwert und eine Hellebarde schenkte. Als Iloo Makoko 1892 starb, bestieg die 28-jährige Witwe als Königin-Mutter den Thron des Köngreichs Mbé. Weil es die Tradition verlangte, musste sich Ngalifourou erneut vermählen. Was sie denn auch tat, indem sie nacheinander alle übrigen 10 Könige des Batéké-Reichs heiratet (es handelte sich ausnahmslos um alte Männer). Sie lebte aber nie mit ihnen zusammen. 

Die Königin zog sich an ihren Geburtsort Ngabé zurück, übte jedoch weiterhin einen grossen politischen Einfluss aus. Sie unterzeichnete weitere Verträge mit den Franzosen und ermunterte Betéké-Soldaten zum Dienst in der französischen Armee sowohl im Ersten wie im Zweiten Weltkrieg. Auch traf sie sich mehrmals mit General Charles de Gaulle, der während des 2. Weltkriegs zeitweise in Brazzaville wohnte. 1944 verlieh ihr de Gaulle den Kreuzorden der Ehrenlegion (Légion d'Honneur). 

Die Frau, die auch für ihre Zornesausbrüche berüchtigt war, präsentierte sich stets auf einem roten Thron, der auf einem Leopardenfell stand. Gerne trug sie einen Tropenhelm und liess sich bei Ausfahrten von Weissen begleiten. 

Nicht bei allen Betéké kam ihr enges Verhältnis mit der französischen Kolonialmacht gut an. Man kritisierte sie als "Die Frau der Weissen". In den 50er Jahren schwand ihr Einfluss, nachdem im Land der Ruf nach Unabhängigkeit von den Franzosen immer stärker wurde. 

Als Ngalifourou 1956 verstarb, richteten ihr die französischen Kolonialbehörden ein Staatsbegräbnis aus, an dem unter anderem Vertreter des Vatikans und hochrangige Staatsbeamte anderer französischer Kolonien teilnahmen. 

Die Unesco listete sie als eine der wichtigsten Frauen in Afrika auf. 

Seither heissen alle Königinnen Ngalifourou. 


Die jetzige Königin empfängt uns zu einem kurzen Besuch. Neben ihr tänzelt ihr Sprecher, der unsere Fragen beantwortet. Die Königin selber spricht nur selten. 


Und nun stehen wir in Ngabé vor dem Haus der heutigen Ngalifourou, einer Enkelin der berühmten Königin. Wobei der Begriff "Enkelin" weitegefasst werden muss, weil die 1956 verstorbene Königin keine Nachkommen hatte. Ihre Schwangerschaften endeten alle mit Spontanaborten oder Totgeburt. 

Wie tritt man vor eine Königin? Man setze den linken Fuss leicht vor den rechten und deute einen Knicks an. Gleichzeitig schlage man dreimal die Hände leicht zusammen, werden wir instruiert. 

Und als Frau darf man keineswegs in Hosen vor die Königin treten. Weil ich und alle anderen mitreisenden Frauen Hosen tragen, werden eiligst bunte Tücher herangeschafft, die wir uns um die Hüften wickeln müssen. 


Im korrekten Dress parat für die Audienz. 

Nachdem ich das protokollarische Prozedere pannenfrei bestanden habe, darf ich mich auf einen feudalen Sessel an der rechten Seitenwand setzen und die Königin ausgiebig mustern. Schläft sie oder ist sie wach? Immer wieder fallen ihre Augenlieder nieder, die Frau soll gegen 85 Jahre alt sein. Dann erblickt man plötzlich wieder ihre Pupillen und gelegentlich wirft sie sogar ein Wort oder zwei in die Debatte. 

Wie ihre berühmte Vorgängerin ist auch sie in rote Gewänder gekleidet und trägt eine Art Tropenhut. Unter den roten Teppichen erblicke ich die Zipfel des Lepardenfells. Die rote Farbe symbolisiert die Macht, wie ich erfahre. 

An ihrer rechten Seite steht ihr Sprecher. Er und nicht die Königin beantworten unsere vom Dolmetscher ins Kongolesisch übersetzte Fragen. Was zuweilen zu kuriosen Situationen führt, weil unsere Fragen im Hin- und Her von Dolmetscher zum Sprecher und zurück abgeändert werden, wie wir den übersetzten Antworten entnehmen können. 

Nach rund 20 Minuten ist der Spektakel vorbei, wir dürfen Fotos machen und verabschieden uns mit Knicks und Händeklatschen. 


Einer ihrer Söhne vertreibt sich die Zeit vor dem Haus. 

Draussen steht einer ihrer Söhne und sorgt für Ordnung. Ein weiterer Sohn ist  Gemeindevorsteher von Ngabé. Als Nachfolgerin ist ihre Tochter vorgesehen, die mit ihrer Familie in Brazzaville lebt. In den nächsten Monaten soll sie vorübergehend zur Mutter ziehen, um sich in die Rolle der Königin einzuarbeiten. 






Kongo III: Aussehen wie ein britischer Dandy? Die Sapeurs aus Brazzaville können das noch viel besser.


Die Kongo-Dandys tauchen auf. 

So bedrückend vieles in der Republik Kongo anmutet - es gibt auch eine glänzende Seite. Und die ist wörtlich zu nehmen. Die Sapeurs sind eine Wucht, wie wir begeistert feststellen, als sie uns auf dem Schiff besuchen. 

Vier Dandys tänzeln im Dreiteiler, glänzenden Lederschuhen, mit Hut und Spazierstock, Tabakpfeife und Sonnenbrille über den Schiffssteg, obwohl es regnet. Nur ihr Chef folgt ihnen mit Abstand im farbigen Freizeitlook 


Als sie auf dem Deck erscheinen, erkennen wir, dass auch zwei Frauen dazu gehören. Das Motto der Truppe:  Sich so exaltiert wie nur möglich in Pose werfen. Eine der Frauen knallt die Fersen in kuriosere Weise zusammen und harrt in dieser Stellung eine gefühlte Ewigkeit aus, das Designerjackett ist aufgeklappt, damit man das Label von Versace & Co. sehen kann, der Blick betont ausdruckslos. Und hier ein Video dazu. 
        
Sie alle gehören der "Union de la Sape" mit Sitz in Brazzaville an. Die Wurzeln dieser Bewegung reichen in die Kolonialzeit zurück. Die Menschen bewunderten Studenten und Intellektuelle, die von einem Aufenthalt in Paris völlig verwandelt heimkehrten, im Nadelstreifenanzug, mit Hut, Brille, Lederschuhen, Spazierstock. Den Stil der weissen Bourgeoisie zu imitieren, war angesag

Als bien sapé, elegant gekleidet, wurden die Nachahmer  selbst zum Vorbild junger Männer, die sich  in den 1970er Jahren, den Namen "Sapeurs" gaben und, eine Dekade später, in "La Sape" zusammenfanden: der "Société des Ambianceurs et des Personnes Elégantes". 

Am liebsten präsentieren sich die Dandys zum Song "Proclamation" von Papa Wemba, der als König der kongolesischen Rumba gilt. Der Song handelt von einem jungen Mann, der sein Studium in Paris hinschmeisst, Geld verdient und sich eine teure Garderobe zulegt, um sich vor den Damen in der Heimat als Pariser Monsieur in Szene zu setzen. 

Wemba war selber Sapeur. Von ihm soll der Spruch stammen, dass die Weissen zwar bestimmte Typen von Kleidungsstücken erfunden haben. Aber erst die Afrikaner hätten aus der Art, sie zu tragen, eine Kunst gemacht. 




Die Imitation französischer Eleganz hat sich durch grelle Farbkombinationen und theatralisches Auftreten, zu einem eigenen afrikanischen Stil entwickelt. Wer sich exklusiv kleidet, beweist allen, dass er trotz alle Widrigkeiten Herr seines Schicksals geblieben ist. Erst die "griffes", die Designermarken aus Frankreich oder Italien, sind die Trophäen, die das Wunder der Verwandlung schaffen. 

Auch hier gilt Papa Wemba als Trendsetter. Anfang der 1980er Jahre rebellierte er in Kinshasa auf dem anderen Kongo-Ufer gegen die vom damaligen Diktator Mobutu ausgerufene Kampagne der Reafrikanisierung. Mobutu wollte westliche Kleidung, sogar BHs und Krawatten, verbannen. 

Mit Armani-Anzügen, deren Etikett er provokativ dem kreischenden Publikum hinhielt, rebellierte  Papa Wemba dagegen - aus den Sapeurs wurde plötzlich eine politische Bewegung. 

Der Dandy-Look wird heute auf beiden Seiten des Kongo respektiert. Jeder kann mitmachen. Allerdings, so betont der Chef der kleinen Truppe auf dem Schiff, sollte man ein Gespür für Stil mitbringen. Dazu gehöre es, nicht mehr als drei Farben zu tragen. Daran hält auch er sich, obwohl im Freizeitlook gewandet.


Stilvoller Abgang vom Schiff. 



Kongo IV: La Princesse Ngalessa



Nächtlicher Empfang auf der "MS Princesse Ngalessa" nach unserer langen Anreise aus Paris. 



Jetzt ist aber höchste Zeit das Schiff vorzustellen, dass uns während 10 Tagen und 9 Nächten auf dem  Kongo und dem  Nebenfluss Sangha  nach Ouésso im Norden bringen wird. Der optisch auffallende Kahn wurde 2017 von einer belgischen Werft in Kinshasa übernommen. 

Das Schiffdesign lehnt sich an die einst auf dem Kongo verkehrenden Passagierschiffe an, welche jahrzehntelang die wichtigsten Städte am Kongo und seinen Nebenflüssen versorgten. 2023 wurde das Schiff aufgefrischt und ist seit 2024 für touristische Expeditionskreuzfahrten im Einsatz. Es soll sich übrigens im Besitz des kongolesischen Innenministers befinden, wie uns auf dem Schiff von der Besatzung zugeraunt wird. Was angesichts der grassierenden Korruption und Selbstbedienungsmentalität im Regierungsapparat kein Wunder wäre.

Weil der Tourismus in der Republik erst in den Anfängen steckt, ist die "Princesse Ngalessa" das einzige Schiff für ausländische Besucher auf dem Kongo. Und wohl auch das einzige modernere Schiff auf dem Kongo. 

Die älteren Passagierschiffe, die einst die Orte am Kongo über Jahrzehnte verbanden, wurden alle ausser Betrieb gesetzt, wohl nicht zuletzt wegen der Bürgerkriege und der bis heute anhaltenden Spannungen zwischen den beiden kongolesischen Nachbarn. Nun rosten die zahlreichen Schiffe im Hafen neben der "Princesse" vor sich hin.


Ausrangierte Passagierschiffe. 
     Die 24 Passagiere und Passagierinnen                         verteilen  sich auf Deck zwei und drei, wo                     sich auch das Restaurant befindet, sowie                     auf  Deck vier, wo die  Bar, die                                     Freiluftlounge sowie die Kapitänsbrücke                     sind. Auf Deck eins arbeiten und wohnen die              21 Angestellten.

     Die Kabine gefällt mir. Naben dem Schlafzimmer         gibt es eine Ankleideraum mit abgetrenntem                Badzimmer. Auf Deck zwei sind vor allem                  Alleinreisende wie ich untergebracht.  




Der lärmige Generator auf Deck zwei (blau) 
Meine gute Laune verfliegt allerdings, als das  Schiff am zweiten Tag die Motoren anwirft und Kurs in den Norden nimmt. Der mächtige Generator, der die zwei Schiffsmotoren antreibt und die Stromversorgung sicherstellt, befindet sich rund 15 m entfernt von meiner Kabine im Heck auf dem gleichen Deck ohne jegliche Lärmdämmung. Eine Installationsweise, die ich auf den vielen Flussschiffen, mit denen ich schon gereist bin, noch nie gesehen habe. Ergebnis: In meiner Kabine zittert das Bett und klappern die Möbel, begleitet von einem hohen Lärmpegel. An Schlaf ist kaum zu denken. Das dauert die ersten zwei Nächte an, weil  das Schiff  mit Volldampf  unterwegs ist. 


Es tröstete mich auch nicht, dass Daniel, unser sympathische junge deutsche Reiseführer und seine holländische Freundin Iris, die für den Hotelbetrieb auf dem Schiff verantwortlich ist, die  hinterste Kabine gleich neben meiner belegen, und damit wohl noch stärker vom Lärm betroffen sind. Offenbar haben sie sich daran gewöhnt.

Auch meine beiden alten Reisekollegen Ursula und Christian fühlen sich auf dem Schiff sehr wohl. Mitgeholfen haben dürfte, dass das Paar eine Kabine auf Deck drei im vorderen Schiffsteil bewohnt und vom Motorenlärm eher wenig mitbekommt. 

Chefkoch Clarence, der im Restaurant gerne flambiert. Die Zürcher Feuerpolizei wäre in heller Aufregen....


Die Küchenmannschaft bietet bei den täglich drei Mahlzeiten stets eine ausgezeichnete Auswahl an französischen, italienischen und kongolesischen Gerichten an, begleitet von Wein und Bier und einer  Auswahl von alkoholfreien Getränken. Auch die Freiluftbar auf dem obersten Deck ist reichlich bestückt mit Aperitif und Digestif.

Die Leistung der Küchenmannschaft und der Kellner ist aus einem weiteren Grund ausserordentlich. Weil es keinen Aufzug von der Küche in das Restaurant gibt, muss alles von Hand über recht steile Treppen von Deck 1 auf Deck 3 hochgetragen werden. 



Im Element: Der Barman mit seiner Beschallungsanlage.


Zur durchwegs guten Laune an Bord trägen wesentlich die kongolesischen Reiseführer bei, denen ihre Arbeit sichtlich Spass macht. 

Zu ihnen gehört beispielsweise der hochgewachsene Arold, der uns sachkundig die Vogelwelt entlang des Flusses und im Urwald näher bringt und die vielen religiösen Strömungen im Kongo aufzeigt.  

Ornithologe und Religionsspezialist Arold (l.) mit Reiseleiter Daniel. 



Seine Kollegen Jordin und Schadrack erweisen sich auf den Landgängen und Urwaldexpeditionen als exzellente Kenner von Bäumen, Schlingpflanzen, Heilpflanzen und giftigen Gewächsen. Sie zeigen uns, wie Maniok angepflanzt und danach in einem mehrtägigen Verarbeitungsprozess zum wichtigsten Grundnahrungsmittel im Kongo verarbeitet wird. Oder wie man im Kongo mit dem Saft einer bestimmten Pflanze seine Arme mit (abwaschbaren) Tattoos verziert. 




Schadrack zeigt uns, was im Urwald alles wächst



Als eher weniger dem Humor zugeneigt erweist sich der Kapitän, ein Hüne von Mann, der seit 26 Jahren auf Schiffen arbeitet. Er begrüsst uns am zweiten Tag auf dem Schiff in einer tadellos sitzenden Uniform und erklärt uns die "MS Princesse Ngalessa" sowie die Sicherheitsmassnahmen, an die wir uns zu halten haben. 


Der Kapitän in voller Montur...



Und dann sehen wir ihn nie mehr in der Uniform. Am liebsten bewegt er sich im weissem Shirt und langer gelber Trainingshose. 



...und im Freizeitlook. 



Zur Schiffsausstattung gehören auch drei Schnellboote, mit denen wir Ausflüge in Nebenarme und seichtere Gewässer machen, sei es auf der Suche nach Flusspferden, von denen wir keines entdecken werden, oder auf der Suche nach Vögeln, wo die Ausbeute reicher sein wird. Mit den Schnellbooten  gehen wir auch zum Besuch von Dörfern, derweil die "Princesse" weiter den Fluss hoch tuckert. 



Zwei der drei Schnellboote, die für Ausflüge eingesetzt werden. 


Und hier noch ganz zum Schluss der Schiffsbetrachtung: Zweiter sehr gewöhnungsbedürftiger Umstand neben dem Maschinenlärm ist der Umstand, dass die Wifi-Einrichtungen zwar vorhanden sind, aber keine Verbindung aufgebaut werden kann, weil es offenbar mit den Satellitenkontakten nicht klappt. Das wird hart für einen News-Junkie wie mich....






Tunesien III: Die Regierung hat das Land fest im Griff, nicht jedoch den Müll. Und zum Schluss Erhellendes zu den modernen Bauruinen.

Durchkommen nur zu Fuss. Unser Hotel lag hinter dem Regierungsviertel, das von der Polizei rund um die Uhr bewacht wird.  Nebst den den berü...