Dienstag, 25. Juni 2024

Auf den Spuren grosser Architekten in Chicago




Vor dem Wohnzimmer erstreckt sich der Lake Michigan.

Hochgewachsen, ganz in Schwarz gekleidet: Dirk Lohan ist eine imposante Erscheinung, als er uns in seine Wohnung im 26. Stock bittet. Sein Appartement erstreckt sich über die Hälfte des obersten Geschosses. Vor den Fenstern, die alle auf den Boden reichen, breitet sich der Lake Michigan aus. Das Interieur macht klar: Hier wird exquisit gewohnt. 


Dirk Lohan

Mir fällt eine an der Decke befestigte hängende Holzkonstruktion auf. Sie erinnert an einen Einbaum mit einer liegenden kopflosen Figur. Dirk Lohan erklärt gerne: "Wenn sich die Skulptur bewegt, schwankt das Gebäude." Die Betrachterin schluckt leer und kapiert dann: Wir befinden uns in der Windy City, wie Chicago auch genannt wird. Es windet andauernd und oft so stark, dass die Hochhäuser ins Schwanken geraten. Ich habe die Holzkonstruktion danach immer mal wieder kontrolliert.



Schwankt das Haus, schwankt die Kunst.

Ob das exquisite Interieur seinem Grossvater gefallen hätte? Die Frage wäre unhöflich. Sein Grossvater war der berühmte Architekt Ludwig Mies van der Rohe, 1886 in Aachen geboren, 1969 in Chicago gestorben. Zu den vielen Wahrzeichen, die er unter anderem in Chicago hinterliess, gehören die zwei Appartementhäuser, wo Dirk Lohan seit längerem lebt. Hier hatte Mies van der Rohe 1951 zum ersten Mal im Hochhausbau eine reine Stahlkonstruktion verwendet und die Fassaden weitgehend verglast. Die van der Rohe-Gebäude fallen auch auf, weil sie allesamt schwarz sind. 



Die beiden dunklen Mies van der Rohe-Hochhäuser in der Mitte. 

Dirk Lohan, 1938 in Deutschland geboren, ging bei seinem Grossvater in den USA in die Lehre, bevor er sein eigenes Architekturunternehmen in Chicago eröffnete und sich ebenfalls einen Namen erarbeitete.


Ludwig Mies van der Rohe.


Der Grossvater und der Enkel gleichen sich nicht nur in ihrem Aussehen, sondern auch in ihren Werten, wofür die Architektur zu stehen habe. Sie betrachten die Architektur nicht nur aus ökonomischer Optik, sondern auch auf soziale Weise, immer mit dem Mensch im Mittelpunkt. Das habe ich in einer Onlinepublikation eines renommierten US-Einrichtungsbüros gefunden. 

Tönt gut, doch stimmt das auch? Mein Chicago-Trip vom 6. bis 16. Juni 2024, organisiert von der Reisehochschule Zürich sollte es zeigen. 

Doch warum wurde Chicago zum Hotspot für berühmte Architekten aus der ganzen Welt? 

Banal und brutal: Weil die Stadt zuvor abgefackelt wurde. Am 8. Oktober 1871 brach in einer Bauernscheune im Süden von Chicago ein Feuer aus. Starke Winde trieben das Feuer nach Norden und damit in die Stadtmitte. Bis zum 10.Oktober wurde eine Schneise der Zerstörung geschlagen. Zahlreiche berühmte Gebäude wurden zerstört. An diesem Tag begann ein starker Regen, der das Feuer schliesslich löschte. Gemäss Schätzungen gab es 300 Tote, 100'000 Menschen wurden obdachlos. The Great Chicago Fire ist ein Wahrzeichen der Stadt. 


Die Zerstörung durch die Feuersbrunst war gewaltig. 

Die Stadt musste sich neu erfinden, was Architekten aus aller Welt anzog, die hier ein Experimentierfeld für urbane Innovationen suchten und fanden: Louis Sullivan, Frank Lloyd Wright, Ludwig Mies van der Rohe und viele andere gehörten dazu.   

  






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