Montag, 19. Februar 2024

Eine kleine Geschichte zum Arganöl aus Marokko

Meine jüngste Kürzestreise führte nach Marokko. Eingeladen hatte die staatliche Tourismusbehörde. Und dort stiess ich auf ein interessantes Museum in Taghazout. Der kleine Küstenort liegt einige Kilometer nordwestlich von Agadir, der Millionenstadt an der Atlantikküste und gilt als Mekka für Surfer und Surferinnen. Das Museum widmet sich einem einzigen Thema: dem Arganöl, in der Werbung gerne auch als «das flüssige Gold Marokkos» gepriesen. Das Arganöl, soviel wusste ich, ist teuer und wird unter anderem in der Haarpflege eingesetzt. Das Museum (www.targant.taghazout.com) hat mein Wissen ziemlich erweitert. Kein Wunder, es bezeichnet sich stolz als erstes Arganöl-Museum der Welt.
Der Arganbaum (Argania spinosa) kommt nur in diesem Teil von Marokko vor und seine Früchte werden seit Jahrhunderten verarbeitet. 1998 erklärte die UNESCO das Gebiet zum Biosphärenreservat, einige Jahre später wurde die jahrhundertealten Kenntnisse und Praktiken zur Nutzung des Baumes und seiner Früchte von der UNESCO als Immaterielles Kulturerbe der Menschheit anerkannt. Das Öl, das als Delikatesse in Küche und Kosmetik vermarktet wird, ist sehr teuer. Mit ein Grund: Es steckt sehr viel Handarbeit in der Produktion des Oeles. Und das ist vor allem Frauensache. Das wird im Museum anschaulich dargestellt: Frauen ernten die getrockneten Früchte, schlagen sie auf, rösten sie und pressen die Samenplättchen zu Oel. Das war mal.
In den 1990er Jahren verlegte sich die Gewinnung des Arganöls in Fabriken in Agadir und Casablanca. Für viele Familien war das ein Desaster. Mit Hilfe des Staates wurde ein Verband gegründet, dem heute gegen zwei Dutzend Kooperativen angeschlossen sind. Mit den Erlösen aus dem handwerklich gewonnen Öl sollen laut Museum mittlerweile wieder viele Familien leben können. Auf das teure Arganöl wurden auch andere Staaten aufmerksam. In Mexiko, Algerien und Israel soll man laut Museumsführerin versucht haben, die Baum zu kultivieren. Die Versuche sollen fehlgeschlagen haben, weil die Bäume keine Früchte trugen. Die Gefahren für den Anbau und die Gewinnung des traditionsreichen Öls dürften ohnehin an einem anderen Ort liegen. Immer mehr Überbauungen, vor allem für den Tourismus, werden in den Arganreservaten hochgezogen. Im Museum werden überdies noch Kamele als Bedrohung für die Bäume erwähnt. Die Berber treiben je nach Jahreszeit ihre Herden von der Sahara nach Norden, und damit eben auch in die Argan-Gebiete. Dass hier ein seltenes Oel gewonnen wird, interessiere sie herzlich wenig, lese ich auf einer Erklärtafel. Das Problem liege darin, dass die Kamele nicht nur Blätter und die kostbaren Nüsse fressen, sondern auch Äste abbrechen. Im Museumsladen gibt es ein reichhaltiges Angebot an Ölen für die Küche und Kosmetik. Das Arganöl findet sich auch in einer "Nutella"-Version made in Maroc. Amlou, wie der Aufstrich hier heisst, wird aus Mandeln, Honig und eben Arganöl hergestellt. Der Honig stammt übrigens nicht nur von Bienen, auch aus einer Kaktusart wird Honig gewonnen. Und hier, sozusagen als eher schräger Schlusspunkt, noch eine Warnung der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung. "Arganöl ist nicht wertvoller als andere pflanzliche Öle. Viele Anpreisungen sind falsch oder irreführend und täuschend. Seinen horrenden Preis von rund Fr. 100.- pro Liter ist es zumindest aus gesundheitlichen Gründen nicht wert." Der Tadel stammt von 2004.

Freitag, 16. Februar 2024

Im Flughafen von Marrkesch angetroffen: Herumspazierende Katzen




Kürzlich bin ich auf Einladung des Marokkanischen Fremdenverkehrsamtes zu einem Kurzaufenthalt in der Nähe von Agadir eingeladen worden. Gelandet bin ich nicht im Flughafen Agadir, sondern in Marrakesch, weil Edelweiss die Route Zürich-Agadir nur zweimal pro Woche anbietet, dafür fliegt die Airline praktisch jeden Tag nach Marrakesch. 

Während ich in der langen Schlange vor der Grenzkontrolle anstehe, entdecke ich eine Katze, die gemütlich vorbeispaziert. Als extreme Katzenliebhaberin bin ich elektrisiert und mache automatisch, was ich immer in solchen Situationen tue: "Minou-Minou", rufe ich. Das sorgt da und dort für irritierte Blicke der Passagiere. Ist mir egal. 

Doch die Katze ignoriert meine Lockrufe und setzt ihre Promenade ungerührt fort. 

Was mich ziemlich frustriert, weil Katzen, denen ich sonst begegne, ziemlich rasch herbeieilen und schnurrend um meine Beine streichen. 

Diese Katze, soviel bekomme ich mit, ist weder abgemagert noch ängstlich. Vielmehr sieht sie gut gepflegt und völlig entspannt aus. Eben wie Katzen so sind, wenn sie sich an einem Ort wohlfühlen. Auch fällt mir auf, dass die zahlreichen Airport-Angestellten nicht auf die Katze reagieren. Sie gehört offenbar zum Personal. 

Nachdem mir der eher mürrische Polizeibeamte nach reiflicher Kontrolle meines Passes den Einreisestempel in das rote Büchlein geknallt hat, komme ich in die grosse Eingangshalle - und erblicke eine andere Katze, die mit erhobenem Schwanz gerade um eine Ecke verschwunden ist. 

Die erste hektische Suche auf Google nach Katzen in Airports ist ein Flop. "Katzen und Airport", das ergibt nur Tipps und Videos, wie man mit dem mitreisenden Haustier am besten vorgeht. 

Immerhin stosse ich nach längerer Suche auf eine Katze namens Stitches, die in den USA im St Paul Airport in Minneapolis Passagieren mit Flugangst therapeutisch erste Hilfe leistetet. Stitches wurde in einer Art Kinderwagen (und wohl angebunden) herumgefahren. Der Artikel stammte von 2019.

https://www.lonelyplanet.com/news/stitches-emotional-support-cat 

Drei Tage später bin ich wieder im Flughafen von Marrakesch. Nach dem Hindernislauf durch Check-in, Handgepäckkontrolle, Grenzkontrolle (diese gleich mehrfach), setze ich mich in der Abflughalle hin. Das Handy braucht dringend Strom, ich ein Sandwich. Das Handy hat Vorrang. Und was passiert, als ich die Steckdose suche: Eine Katze schlendert bei mir vorbei. Bevor ich überhaupt mit dem Handy reagieren kann, steht sie schon unter einer benachbarten Sitzreihe und schaut interessiert in die andere Richtung - und spaziert dann davon.



Mutmassliche Erklärung: Da es in der Abflughalle nur wenige Restaurants gibt, kaufen viele Fluggäste das Essen in den Foodshops ein und verpflegen sich dann sitzend vor dem Gate. Da fällt für die Katze einiges ab.  

Gedanken über das Katzenkloo habe ich mir nicht gemacht. 

Zu Hause hat mich das Thema weiter beschäftigt. Und auf was bin ich dann gestossen? Einige Airports leiden unter einer Mäuseplage. Mehr dazu hier: 

https://www.aerotelegraph.com/der-flughafen-frankfurt-hat-ein-maeuseproblem-lufthansa-senator-lounge

Die Lösung spaziert auf vier Pfoten herum. 











 







Donnerstag, 8. Februar 2024

Falkland VI: Über Punta Arenas nach Santiago de Chile und auf den höchsten Turm Südamerikas.

 

Was für ein Kontrast zu den Falklands: Santiago de Chile mit dem Sky Costanera, dem höchsten Gebäude Südamerikas. 


Die Falklands sind nur noch Erinnerung, als wir gegen Abend des 27. Februars mit der chilenischen Airline Latam in Santiago de Chile landen. Der Flug führte von RAF Mount Pleasant nach Punta Arenas im Süden Chiles und von dort gings weiter nach Santiago de Chile. 

Wir verbringen drei Tage in der pulsierenden Hauptstadt mit 6,9 Millionen Einwohnern. Es gäbe eine Menge an spannenden Dingen zu tun. Doch dafür ist die Zeit zu knapp. Ich will nach ganz oben, also auf den Sky Costanera und Stefan hat im Voraus eine alternative Stadtführung organisiert. 

Der Turm: Mit 300 m ist der Sky Costanera das höchste Gebäude Südamerikas und zählt 62 Etagen. Der schlanke Turm steht im Finanzviertel, das im Volksmund "Sanhattan" genannt wird. 

Nur so zum Vergleich: Das höchste Gebäude der Welt ist der Burj Khalifa in Dubai. Er bringt es auf unglaubliche 828 m. 

Doch auch auf dem "kleinen" Costanera ist die Aussicht vom 61. Stock eindrücklich. Die Rundumverglasung reicht bis auf den Boden. Einziger Wermutstropfen: Über der Stadt liegt Smog und die nahen Anden verstecken sich teilweise hinter Wolken. Mit Glück erhaschen wir einen Blick auf die Spitze des 5434 m hohen Cerro El Plomo. Die Skigebiete in den Anden sind nur rund 50 km von der Metropole entfernt. 


So sähen die Anden mit dem Cerro El Plomo bei schönem Wetter aus, sehe ich auf Google. Die Berner Alpen können da einfach einpacken..... 



Über eine Rolltreppe gelangt man vom 61. in den 62. Stock. Ein luftiges Erlebnis: Die oberste Etage liegt unter freiem Himmel. Regnet es, was es in Santiago allerdings nur noch selten tut, wird man hier begossen. Das Wasser sei kein Problem für den Boden, erklärt eine Angestellte. 
 

Blick von der 62. Etage nach oben. Es gibt kein Dach. 


Wir schliessen uns einer kurzen Führung an. Eine junge Frau erklärt uns mit grösster Begeisterung, was es in allen vier Windrichtungen an spannenden Sachen zu sehen gibt. Auf einem Tablet präsentiert sie uns immer wieder Bilder aus früheren Zeiten. Wir sind begeistert und bitten sie am Schluss um ein Selfie. 

Sie hat sichtlich Spass an ihrem Beruf. 


Bei der Stadtführung mit Roger Bautista Rivera-Grandón hat's definitiv keinen Platz mehr für Spass. Wer ist Roger? "Aktivist für Menschenrechte, Kulturmanager, Englischlehrer, Übersetzen und Dolmetscher, Freidenker von links und sophistischer Schriftsteller und Denker". Diese Aufzählung finde ich auf X, Facebook und anderen Kanälen, wo der Mann sehr präsent ist. 


Roger, der Aktivist, der bei der Stadtführung die Schrecken der Militärdiktur in Erinnerung ruft. 



Roger führt uns zu verschieden Orte, wo Politaktivisten während der Militärdiktatur unter General Augusto Pinochet entführt, gefoltert und umgebracht wurden. Pinochet hatte mit einem Putsch am 11. September 1973 die Macht an sich und das Militär gerissen. Die Diktatur dauerte 17 Jahre. Dabei kamen 3200 Menschen ums Leben. 

Roger nennt Namen und Jahreszahlen, kritzelt alles auf einen Fresszettel. Sein Feuereifer ist bemerkenswert, er deckt uns mit einer unglaublichen Menge an Informationen ein. Innerhalb weniger Stunden will er uns die Jahre des Schreckens eintrichtern. Besonderes Gewicht legt er auf den "Caso Degollados". Der spanische Begriff bedeutet nichts anderes als "Enthauptung". 1985 kam es zu einer Mordserie an Oppositionellen. Die Opfer wurden später mit aufgeschlitzter Kehle gefunden. Die Morde lösten einen politischen Skandal aus. 
 
Und wie hat er die bleierne Zeit selber erlebt? Roger erzählt uns, dass er sich rechtzeitig in die USA absetzen konnte und erst nach dem Sturz des Militärregimes wieder nach Chile zurückgekehrt war. 

Vielleicht erklärt das die Verbissenheit, mit der er die Schrecken der Vergangenheit präsent hält und an politischen Bewegungen teilnimmt, deren Ziel es ist, Chile in eine sozialistische Zukunft zu führen. 

Als wir uns nach mehreren Stunden von Roger trennen, sind wir ziemlich geschafft. 

Spätestens vor der "La Picá de Clinton" fühlen wir uns wieder etwa entspannt er. Die Bar und Imbissbude war im April 1998 in die Schlagzeilen geraten, weil US-Präsident Bill Clinton damals unerwartet auftauchte, umgeben von einen Tross von Medienleuten. Clinton hatte zuvor ganz in der Nähe an einem Treffen der Präsidenten aller nord- und südamerikanischen Länder teilgenommen. Weil er Hunger und Durst hatte, wich er kurzerhand vom offiziellen Programm ab und betrat den Schnellimbiss, der damals noch "San Remo" hiess. 

Der Laden wurde nach dem Besuch kurzerhand umgetauft und wurde zum Must für amerikanische Touristen. Noch heute gehört "La Pica de Clinton" zu den Sehenswürdigkeiten, die man in Santiago gesehen haben muss. 


Gehört zum Pflichtprogramm in Santiago. 


Nun ist auch Santiago de Chile nur noch eine Erinnerung. Am 30. Januar bestiegen wir eine Maschine der Air France, die uns nach Paris brachte. Am 31. Januar  landeten wir schliesslich um 10 Uhr morgens in Zürich. 

So, das wars. 







 




Falkland V: Betrachtungen zum Wesen von Schrott




In einem Wohnquartier von Port Stanley

Fast alles, was der Falkländer zum Leben braucht, muss per Schiff oder Flugzeug angeschleppt werden. Das reicht von der schweren Baumaschine übers Auto bis hin zu Milch und Mineralwasser britischer Provenienz. 

Auf die Inseln kommt alles - von den Inseln geht (fast) nichts mehr weg. Zu diesem banalen Schluss bin ich nach der knapp zehntägigen Tour durch Falkland gekommen. 

Was passiert mit der Bagger, mit dem Range Rover, wenn sie kaputt sind, was passiert mit der leergetrunkenen Cola-Büchse? Sie bleiben auf der Insel als rostender Abfall, die Büchse wandert in die Abfallgrube. 

Der Falkländer hat sich damit arrangiert. Spaziert man durch Port Stanley, tun sich zwischen den schmucken Häuschen immer mal wieder Leerflächen auf, auf denen ausrangierte Autos und anderer Abfall für die nächsten 100 Jahre deponiert wird. 

Auf dem Weg von unserer Lodge zuoberst in Stanley durchqueren wir regelmässig ein grosses Gelände mit Lagerhäusern, Baubetrieben, Handwerksschuppen und vielem mehr. Auf den Arealen stappeln sich von kaputten Lastwagen, Baumaschinen, Metallstangen bis hin zu ausgemusterten Pneus alles, was mal nützlich war und nun zu nichts mehr zu gebrauchen ist. Sogar eine Militärkanone rostet am Strassenrand ungestört vor sich hin. 


Im Gewerbegebiet von Port Stanley

Auf unseren Ausflügen durch die grandiose Landschaft von Ostfalkland treffen wir immer mal wieder auf eine ausrangierte Baumaschine oder einen Traktor, der am Ort seines letzten Einsatzes einfach stehengelassen wurde. Und neben Farmen stehen oft mehrere ausrangierte Jeeps und Range Rover. 

Klar, sprechen wir Leute darauf an. Und erhalten stets die gleiche Antwort. Der Abtransport per Schiff zu Verschrottungsfabriken und Recyclinganlagen in Grossbritannien oder Südamerika sei viel zu teuer. Alubüchsen hingegen würden zusammengepresst und nach England zurückspediert, erklärt uns ein Mann in Stanley. Und der Glasabfall werde zerkleinert und im Strassenbau wiederverwertet. 

Auch bringen wir in Erfahrung, dass in Port Stanley eine Kehrrichtverbrennungsanlage geplant sei. Wann sie ihren Betrieb aufnehmen wird, weiss indessen niemand genau. 

Na, wenigstens das, denken wir uns. 

Gewöhnt man sich an diesen Anblick? Möglicherweise. Aber in Port Howard auf Westfalkland trifft uns dann doch fast der Schlag. Kaum in der Lodge von Wayne und Sue angekommen, beschliessen wir, den "Hausberg" des hübschen kleinen Ortes zu erwandern: den knapp 660 m hohen Mount Maria. Das Wetter ist prächtig und wir kommen gut voran. 


Von Port Howard aus nicht zu sehen: Der Autofriedhof


Und gleich daneben die Abfallgrube

Doch kaum haben wir den ersten Vorhügel erreicht, ist es fertig mit Natur pur. Vor uns breitet sich ein grosser Autofriedhof aus. Wir entdecken uralte Lastwagen und natürlich Jeeps aller Art und Range Rover. Daneben wurde ein Kanal im Torfboden ausgegraben, wo der Haushaltsabfall deponiert wird. Volle Windeln, eine Spielzeugpuppe, kaputte elektronische Geräte, Flaschen, Aludosen (aha, mit dem Recycling klappt es doch nicht so!), Batterien und vieles mehr lagern dort unter freiem Himmel. Von Port Howard aus ist das alles nicht sichtbar. Aus den Augen, aus dem Sinn. 

Wir wandern weiter und als wir nach drei Stunden die 660 m fast geschafft haben, geniessen wir die phänomenale Aussicht auf die Bucht von Port Howard, auf den Falkland-Kanal, der die beiden grössten Inseln zweiteilt, auf die Bergzüge links und rechts von uns. Der Schrottplatz ist aus der Ferne winzig klein - aber nicht zu übersehen, weil der Metallabfall im Sonnenlicht glitzert. 

Und dann trifft uns der nächste Schlag. Zuoberst auf dem Mount Maria rosten Antennenanlagen und dazugehörige Container vor sich hin. Die Telecom-Anlage war vor Jahren aus dem Betrieb genommen worden und steht nun bis in alle Ewigkeit als Abfall da.

Auf dem Mount Maria: Funkanlage, seit Jahren ausser Betrieb. 

Da zwei der drei Container noch intakt sind, deren Türen aber nicht verriegelt sind, machen wir uns auf eine Entdeckungstour. Die Erfahrung ist skurril: Die Innenräume wirken so, als hätte das Personal eines Morgens die Anlage einfach abgestellt und sich dann davongemacht. In einer winzigen Küche steht das Geschirr noch im Spülbecken, wenn auch alles mittlerweile rostet und zerfällt, neben dem Becken hängt noch immer ein voller Abfallsack. Im Raum daneben lagern Matratzen auf zwei Etagenbetten. In einer weiteren Ecke sind auf einem kleinen Büchergestell fein säuberlich geordnet Gebrauchsanweisungen, Inspektionsberichte und Formulare aller Art platziert. 




Die Küche

In diesen Unterlagen entdecke ich eine Gebrauchsanweisung von Studer Revox, dem einst für seine Tonbandgeräte legendären Betrieb in Regensdorf ZH. Offensichtlich kamen Revox-Produkte auch auf dem Mount Maria zum Einsatz. 

Ich entschliesse mich, einen wichtigen, wenn auch zugegebenermassen nur winzigen Beitrag zur korrekten Entsorgung zu machen und packe eine intakte Teetasse mit dem Wappen von Falkland in meine Tasche. 

Auf dem Rückweg vermeine ich ein Glitzern in den Augen von Kollege Stefan zu entdecken. Und tatsächlich: Auch er will plötzlich einen Beitrag zur korrekten Entsorgung machen. Auf dem Autofriedhof hat er Fahrzeuge entdeckt, die noch immer das gelbe Kontrollschild von Falkland Islands tragen. Offenbar gehören auch sie zum Abfall. 

Als unser Gastgeber Wayne erklärt, dass es kein Problem sei, die Schilder abzumontieren, machen wir uns anderntags ans Werk. Unsere Ausbeute besteht aus fünf Schildern. Beim Herumklettern bemerke ich, dass in vielen Fahrzeugen noch die Schlüssel stecken und auch ganz anderer Abfall in den Wagen geladen wurde, bevor er hier landete. Weil die Schilder - anders als bei uns - aus Kunststoff bestehen, fühlen wir uns bezüglich Grenzkontrolle am Flughafen auf der sicheren Seite. 


Ich "entsorge" ein Autoschild fachgerecht.....

Nachtrag: Nach der Gepäckaufgabe am RAF Mount Pleasant wollte ich es mir gemütlich machen im Wartesaal. Doch dann wurde mein Name aufgerufen. Eine freundliche Polizistin bat mich nach draussen. Man bat mich, meinen Koffer zu öffnen. Der Grenzbeamte, auch er von ausgesuchter Höflichkeit, durchsuchte danach akribisch mein Gepäck. Als er das Fach öffnete, in das ich mein Autoschild verstaut hatte, lachte er und klappte den Koffer wieder zu. 


Die Tasse fügt sich in Zürich prächtig in die Sammlung völlig überflüssiger Reisesouvenirs




Falkland IV: Eine unfreiwillige Entzugskur


 

Wie erklärt man frustrierten Gästen, dass man das Problem beim besten Willen nicht lösen könne? In der Lookout Lodge in Port Stanley versucht man es mit Humor. Und mit einer Katze. 

Das unlösbare Problem: Die Falklandinseln verfügen über ein schlechtes Internet. Im umgekehrten Verhältnis dazu stehen die Preise. In den regelmässig erhobenen weltweiten Ranglisten der Kosten für den mobilen Datenverkehr gehört das britische Überseegebiet zu den teuersten Ecken der Erde. 

In der Schweiz zerbrach ich mir vor der Abreise nicht den Kopf darüber, obwohl mein Provider mir mittgeteilt hatte, dass auf den Falklandinseln "derzeit kein Roamingpartner verfügbar" sei. Wird sich schon was passendes finden, sagte ich mir damals. 

Und dann kommt man nach einem fast zwanzigstündigen Flug (inklusive Zwischenlandung und Busfahrt nach Port Stanley) in der Lookout Lodge an und erwartet nichts sehnlicher als Wifi im Hotel. Natürlich gratis, wie fast überall. All die Mails auf privaten und beruflichen Kanälen, all die News, die man verpasst hat! Das muss aufgearbeitet werden. 

Es gebe kein Gratis-Wifi in der Lodge, erklärt die überaus freundliche Angestellte am Empfang. Es ist genau dieser Augenblick, wo man das Gefühl hat, zu explodieren. 

Die Angestellte bietet umgehend Wifi- und Telefonkarten an. Die günstigste kostet 10 Pfund (11 Franken) und ist garantiert in weniger als einer Stunde aufgebracht, weil die zulässige Megabyte-Menge gering ist. Je höher die MB-Zahl, desto höher der Preis. Ich kaufe eine Karte für 30 Pfund. Sie ist, soviel sei verraten, im Schnitt spätestens nach zwei Tagen aufgebraucht. 


Ohne sie läuft nichts für uns

Zur Konkurrenz wechseln? Der einzige Anbieter auf den Falklandinseln ist Sure. Das Unternehmen mit britischen Wurzeln gehört heute Batelco, einem Telekomunternehmen in Bahrain.

So sehr sich Reisende wie ich über das lahme System ärgern: Für uns hat der Ärger ein garantiertes Ablaufdatum mit der Rückreise in die Schweiz. Davon können die Falkländer nur träumen. Für sie ist das ein Dauerzustand.  

Als die Einwohner im Herbst 2023 zur Urne aufgerufen wurden, um ein neues Mitglied in die  Legislative Assembly, wie die parlamentarische Vertretung auf den Falklandinseln heisst, zu wählen, dominierten drei Themen die öffentliche Debatte: Mehr Unterstützung für die Farmer, die schwindenden Wasservorräte und die Verbesserung des Kommunikationsnetzes. 

Suzan Pole-Evans, in deren Lodge wird auf Saunders Island in Westfalkland übernachtet haben (Blogeintrag Falkland II), nervte sich öffentlich über das "schreckliche, langsame, teure Internet". Ein Farmer aus Ostfalkland stellte fest, dass das "verdammte Telefonsystem" eine Dauerbaustelle sei. 

Er sprach damit  noch ein Problem auf den Falklands an: Der Stadt-Land-Konflikt. Im achtköpfigen Parlament dominieren Abgeordnete aus Port Stanley. Kein Wunder, von den knapp 3000 Einwohnerinnen und Einwohner leben 75 Prozent in Stanley. 

Für die "Camp", so heissen die Bewohner ausserhalb von Stanley, scheitert ein Mandat für das Parlament letztendlich an den Kommunikationsmöglichkeiten. Theoretisch könnte sich der oder die Abgeordnete aus Saunders oder einer anderen Insel via Internet in die Sitzungen einklinken, statt jedes Mal den weiten Flugweg nach Stanley anzutreten. Das ist jedoch wegen der schlechten Internetqualität kaum möglich. 

Doch warum sind die Falkländer kommunikationstechnisch so schlecht aufgestellt? 

Grund 1: Das Inselreich ist nicht an ein Unterseekabel angeschlossen, was in erster Linie mit dem Konflikt mit Argentinien zu tun hat. Und eine Anbindung an Brasilien oder gar Chile wäre schlicht nicht bezahlbar, lese ich in einschlägigen Foren.

Grund 2: Das Satellitennetzwerk Starlink des US-Raumfahrtunternehmens SpaceX von Elon Musk deckt mittlerweile ganz Südamerika ab. Pech für die Falklandinseln: Sie befinden sich genau am Rand der südlichsten Abdeckung. 

Grund 3: Gäbe es mehr Wettbewerb unter Telekom-Anbietern auf der Insel, würden die Qualität steigen und die Preise sinken. Die Regierung von Falkland schützt das Monopol von Sure. Diese Thesen habe ich auf  https://openfalklands.com/ gelesen. Das vom Briten Chris Gare, einem IT-Spezialisten lancierte Infoportal verfolgt die Kommunikationspolitik der Falklands sehr eng - und sehr kritisch. Gare, der für die Inselregierung in beratender Funktion tätig war, prangert Entscheide der Regierung an, die nur dazu dienten, das Monopol von Sure zu sichern. Im letzten Jahr hat die Regierung den Exklusivvertrag mit Sure bis 2027 verlängert. 

Voraussetzung für die wirtschaftliche Entwicklung des Inselreichs sei ein richtig funktionierendes Kommunikationsnetz mit schnellem Wifi und flächendeckendem Handynetz, zitierte "Penguin News" im letzten Sommer mehrere Camp. 

Ich schätze, dass ich auf den Falklands über 150 Pfund für die Sure-Karten ausgegeben habe. Als Standort für Home Office kommen die Inseln definitiv nicht in Frage.  







  

 





 

The Internet connection to the rest of the world is provided by commercial level satellite links. Because of this shared limited resource, bandwidth usage is relatively expensive compared to the rest of the world, and latency is higher than with terrestrial connections.

Die Verwendung einer Satellitenverbindung, was bedeutet, dass die Bandbreite ebenso teuer wie begrenzt ist, da 

Starlink: Die auf einem Teleport in Punta Arenas basierende Abdeckung ist technisch deutlich besser als die viel weiter nördlich gelegene. Es ist noch etwas zu früh, um genaue Angaben zu machen, da die Falklandinseln hinsichtlich des Abdeckungsgrads am äußersten östlichen Rand der Abdeckung liegen .2 


2G is deployed on each of our sites around the islands, and 4G is accessible from Stanley, MPC, Goose Green, Port Howard & Fox Bay. If you have a data-enabled device you can access your apps, emails and more, using 4G with one of our data bundles.


 Many of the new Falkland Islands Communications Ordinance policies are explicitly focused on preserving Sure South Atlantic’s monopoly through law. One key example of this concerns VSATs as discussed in this OpenFalklands post. This policy makes the creation of business continuation services unaffordable.

10 It has often been firmly stated – including by ‘expert’ consultants – that the islands’ population is too just too small to support two communications service providers from an economic perspective. Therefore an ongoing telecommunications monopoly is mandatory.


I would suggest that this is an entirely out-of-date view and one pushed by those that have an obvious agenda or are worried about the current provider walking away from the islands. Disruptive technologies change the baseline of such attitudes and a willingness to take risks. Times are changing and technology will not be held back.


This so-called ‘fact’ should be seriously questioned as any possibility of change will involve much work in the few years remaining before the end of the current monopoly.


Like St Helena, the Falkland Islands need to work towards issuing a ‘Request for Interest’ to other service providers well in advance of the monopoly’s end. This is not far away.






Montag, 5. Februar 2024

Falkland III: "Standby for a Handbagging"

Karikatur zum Falklandkrieg



Darf man sich über einen Krieg lustig machen? Ja, wenn man auf britischem Territorium lebt. Diese herrliche Karikatur hängt im Warteraum des kleinen Flugplatzes von Port Stanley. Gleich daneben wird vor der Hühnerpest gewarnt und die geehrte Kundschaft wird informiert, was sie für den Transport von Ware und lebendigen Tieren in den FIGAS-Fliegern bezahlen muss.  

Die Zeichnung enthält eine Fülle von Informationen. Am unteren Bildrand der argentinische Aggressor, der am 2. April 1982 auf die Inseln einmarschierte. Die argentinischen Soldaten leiden sichtlich unter der für sie ungewohnten Kälte auf den Malvinas, wie die Falklandinseln in Argentinien heissen. Ein Funker und seine Vorgesetzten rätseln über eine abgefangene Meldung der britischen Armee, in der es heisst: "Standby for a Handbagging".

Wer das nicht sofort kapiert, kommt spätestens bei der übergrossen Blondhaarigen darauf: Margaret Thatcher, die erste Frau an der britischen Regierungsspitze trat stets mit einer Handtasche auf. Hinter ihr strömt die britische Armee mit allen verfügbaren Waffen auf den Boden von Falkland. 

Auch das berühmteste britische Passagierschiff "Queen Elizabeth 2" darf nicht fehlen. Die Briten, die vom Überfall der Argentinier völlig überrumpelt worden waren, brauchten sieben Wochen, um Truppen und Waffen in den Südatlantik zu bringen. Dabei wurde kurzerhand auch die "Queen Elizabeth 2" konfisziert. Wohl noch nie waren Soldaten in einem derart luxuriösen Schiff transportiert worden. 

Und immer grüsst das Schaf! Auch auf diesem Bild haben die Wolllieferanten einen Auftritt. Ein Pinguin und eine Hochlandgans scheinen darüber zu rätseln, was dieser Monsterauflauf zu bedeuten habe. Und der einzige menschliche Falklandbewohner auf der Zeichnung wittert bereits das grosse Geschäft und offeriert Gratisfahrten auf seinem Traktor. 

Und so ging der Krieg in der Realität zu Ende: Am 14. Juni 1982 gaben die Argentinier auf. Über 900 Soldaten, davon gegen 650 Argentinier, verloren ihr Leben. 

Wie nach jedem Krieg kommt die Zeit der Denkmäler: Maggie Thatcher, die Eiserne Lady", erhielt eine Büste in Port Stanley gleich neben dem grossen Denkmal für die gefallenen Soldaten.


The Iron Lady


Beim Spaziergang durch Stanley kommt man fast automatisch am "1982 Memorial Wood" vorbei. Jeder der nach dem Krieg gepflanzten Nadelbäume erinnert an einen gefallenen Soldaten. Die Namen sind auf kleinen Kreuzen am Fuss der Bäume angebracht, farbige Steine und andere Erinnerungsstücke dürften von Angehörigen platziert worden sein. 


Erinnerung an einen gefallenen Soldaten im Memorial Wood


Eindrücklich sind auch die grossen Soldatenfriedhöfe, die wir bei Darwin und San Carlos besucht haben. 

Doch nun möchte ich über unser nächstes Inselhopping berichten. Erneut fliegen wir mit FIGAS auf die westliche Falkland-Inselwelt zum Hauptort Port Howard. Hauptort? Der Flecken mit eigenem Hafen dürfte etwa zwei Dutzend Einwohner haben. In unregelmässigen Abständen gibt es eine Fährverbindung nach Ostfalkland. 

Zu der Handvoll Leute in Port Howard gehöen Sue Lowe and Wayne Brewer, die ihr Haus an Touristen vermieten. 

Lodge in Port Howard


Wir fühlen uns in dem geräumigen und liebevoll ausgestatteten Haus sofort wohl. Es gibt eine kleine Bar, ein Wohnzimmer mit  Bibliothek, ein Esszimmer, alles dekoriert mit uralten Telefonapparaten und Radios. 

Die Hausbar 


Draussen vor den Fenstern grüssen Kriegsüberbleibsel. Im Garten stehen eine britische und eine argentinische Kanone sowie ein 500-l-Treibstofftank, der als Zusatztank in einer argentinischen Mirage 5 eingebaut war. In einem grossen Gartenhaus kann man Schleudersitze, argentinische Uniformen, Minenwerfer made in Switzerland, Maschinengewehre aus belgischer Produktion, Konservendosen, persönliche Habseligkeiten von Soldaten und viele andere Überbleibsel aus dem Falklandkrieg besichtigen. 

Ungewöhnliche Gartenzierde: Zwei Kanonen. Im Hangar ist das Museum. 


Nicht Wayne sammelte die Kriegserinnerungen, sondern der Vorbesitzer der Liegenschaft. 

Als uns Wayne fragt, welche Inseltour wir gerne machen möchten, können wir nicht anders, als ihn zu bitten, uns zu Überresten des Kriegs im freien Gelände zu fahren. Wo ein Schleudersitz ist, muss doch irgendwo noch das dazugehörigen Flugzeug herumliegen. Für Wayne kein Problem. 

Und so stapfen wir einige Zeit später in einer einsamen Landschaft durch das hohe Gras und stehen vor den Überresten einer argentinischen A4 Skyhawk. Die Trümmerteile liegen weit verstreut herum, teilweise ragen nur noch kleine Teile aus dem Boden. 




Grosse und kleine Überreste einer Skyhawk. Vieles dürfte bereits im Moorboden verschwunden sein.


Etwas später stehen wir vor den Überesten einer Mirage 5 Dagger, die ebenfalls von den Briten abgeschossen worden war. Was mit den Piloten geschah, weiss Wayne nicht. 

Auf einem grösseren Stück der Aussenhülle ist ein verblichener David-Stern zu erkennten. Die von Dassault in Frankreich hergestellten Mirage-Maschinen waren einst ein Exportschlager. Zu den Käufern gehörten auch Argentinien und Israel. Im Laufe der Jahre verkauften die Israeli einen Teil ihrer Kampfflugzeuge an Argentinien weiter. 


Gehörte ursprünglich Israel. 


Ist alles Geschichte, denke ich mir beim Herumstaksen in den Trümmern. Was mich jetzt mehr beschäftigt: Warum wurden die Absturzstellen nie gesäubert? Wayne zuckt nur die Schultern. 

Über Abfälle aller Art und welches spezielle Verhältnis die Falkländer dazu haben, darüber werde ich in Kürze mehr berichten.





  
 





 

  


Sonntag, 4. Februar 2024

Falkland II: Der Schafzüchter, dem 132 Quadratkilometer Land gehören


Pinguine am Strand von "The Neck" auf Saunders Island

Falkland besteht aus rund 200 Inseln. Klar, dass wir einige besuchen wollen. Wir haben uns im Voraus für zwei Ausflüge entschieden: Für die Saunders Insel, die in der nordwestlichsten Ecke von Westfalkland liegt. Und für die Sea Lion Insel in der südlichsten Ecke von Ostfalkland. 

Die Seelöwen-Insel müssen wir vom Programm streichen. Sie ist zum Sperrgebiet erklärt worden. Grund: Die Vogelgrippe breitet sich im Südatlantik aus. Bei mehreren Eselspinguinen wurde der tödliche H5N1-Erreger nachgewiesen, der offenbar von Zugvögeln aus Südamerika eingeschleppt worden war. 

Also geht es vorerst einmal nach Saunders. Glücklicherweise gilt auch hier: Der Weg ist das Ziel. 


FIGAS: Das praktische Lufttaxi auf Falkland

Er fängt auf dem kleinen Flugplatz östlich der Hauptstadt Port Stanley an. Von hier fliegt die Falkland Islands Government Air Service, kurz FIGAS genannt in alle Windrichtungen mit Kleinflugzeugen des Typs Britten-Norman Islanders. Neun Personen plus Pilot haben Platz. Einen fixen Flugplan gibt es nicht, die Maschinen fliegen, wenn die Nachfrage da ist. Also ein kommunes Lufttaxi. 

Das Check-in besteht im wesentlichen darin, sich samt Gepäck auf eine Waage zu stellen und das Ticket zu bezahlen. Dann wartet man, bis die Maschine auf dem Rollfeld auftaucht. 

Langeweile kommt nicht auf. Eine Liste gibt Auskunft, wieviel der Transport von frischen Nahrungsmitteln (Eier, Fleisch usw.) kostet - 0,8 Pfund pro Kilo. Etwas ins Grübeln geraten wir beim nächsten Posten: Hunde, Ziegen und Schafe kosten 15 Pfund pro Weg. Deutlich günstiger sind Katzen, Hühner und Gänse: Sie kosten 1.30 Pfund pro Kilo. Bleibt die Frage, wozu man ein Schaf in der doch kleinen Maschine transportiert. 


FIGAS-Pilot Andrew gibt Sicherheitsanweisungen zum Flug

Mittlerweile ist unsere Maschine startklar. Unter Flugangst sollte man nicht leiden. Je nach Witterungsverhältnissen rüttelt und schüttelt es im Flieger, dafür ist die Aussicht von oben auf Seen, Berge, Buchten und das azurblaue Meer nach karibischer Art phänomenal. 

Nach mehreren Zwischenstopps landen wir schliesslich auf Saunders Island auf einer Graspiste. Am Pistenende steht eine Wellblechhütte mit einem knatternden Windsack. (Wir werden erst später erfahren, dass in der Hütte, die neben jedem Flugfeld steht, ein kleines Löschfahrzeug steht - für allen Fälle.) David Pole-Evans, der die einzige  Lodge auf der Insel an Touristen vermietet, erwartet uns in seinem Range Rover. Das bullige Fahrzeug gehört zur Grundausstattung eines jeden Falkland-Haushaltes. 


Das Settlement auf Saunders Island

Nach kurzer Zeit erreichen wir das Settlement, was sich am besten mit unseren Weilern im Emmental vergleichen lässt. Ein oder zwei Wohnhäuser mit Nebengebäuden und Ställen. Nachdem wir unser Gepäck in unserer Lodge deponiert haben, die sich als gewöhnliches Wohnhaus mit mehreren Schlafzimmern, einem Wohnzimmer, einem Esszimmer, einer Küche und einem Badzimmer mit Toilette erweist, geht es weiter auf eine längeren Autotour mit David. 


Unser Haus von hinten...

...und von vorn

Die hat es in sich: David erklärt uns beiläufig, dass die Insel ihm gehöre. Wir trauen unseren Ohren nicht: Saunders ist die viertgrösste unter den Falklandinseln und misst 132 Quadratkilometer. In unseren Köpfen wirbelt es: Appenzell Innerrhoden hat 173 km2, Basel Stadt 37 km2. Beide rangieren am Schluss der eidgenössischen Rangliste.

Davids Familie war vor über 70 Jahren auf die Insel gezogen. Als der frühere Besitzer 1987 die Insel zum Verkauf anbot, interessierte sich Davids Vater für den Kauf. Doch die Banken mochten dem alten Herrn keine Hypothek gewähren. Also sprang Sohn David ein. Vater und Sohn, die Zeit ihres Lebens auf der Insel gewohnt hatten, kauften die Insel gemeinsam. Seit dem Tod seines Vaters im Jahr 2010 ist David alleiniger Besitzer. 

Derzeit wohnen nur noch vier Personen auf der Insel. Eine der zwei Töchter hat die benachbarte Keppel Insel gekauft. 

Auf Davids Land grasen 7000 Schafe, 200 Rinder und einigen Pferden. Die Schafe liefern vor allem Wolle, die, so erklärt David, besonders wertvoll sei, weil es auf Falkland praktisch keine industrielle Verschmutzung gebe. Die Wolle sei nach der Reinigung so weiss wie kaum eine andere Schafwolle. Pech für David und die anderen Schafzüchter: Die Preise für Schafwolle sind international im Sinken. Immerhin verdient er derzeit noch immer 28'000 Pfund. 

Auf die Idee, die Wolle aus Falkland speziell zu bewerben ist noch niemand gekommen. 


Die Landenge "The Neck" mit dem Mount Harston

Nach rund einer Stunde erreichen wir "The Neck", eine schmale Landverbindung mit Sandstränden auf beiden Seiten. Als erstes fällt ein alter Metallkessel am Strand auf. Laut David waren hier einst Robbenfänger an der Arbeit. "The Neck" war einer der vielen Orte im Südatlantik, die ins Visier von Robbenfängern aus dem Norden geriet. Fell und Fett waren begehrt in Europa und China, die ersten Raubzüge von Robbenfängern soll 1764 auf den Falklandinseln stattgefunden haben. 

Als die Schlächterei irgendwann ein Ende hatte, sollen die Robbenfänger "The Neck" in Brand gesetzt haben, um die schauerlichen Überreste zu vernichten. Schon zuvor hatten sie den Tussock, wie die hohen und dichten Grasbüschel genannt werden, ausgerissen, damit die Robben sich nicht darin verstecken konnten. 

Aus dieser Zeit des Abschlachtens blieb einzig der schwere Metallkessel übrig, in dem das Robbenfett aus dem Fleisch gewonnen wurde.


Kupferkessel zur Gewinnung von Robbenöl. 

Heute ist diese Ecke Davids beste Einnahmequelle neben der Schafwolle. Erstmals 1996 tauchten Kreuzfahrtschiffe bei seiner Insel auf. "The Neck" war ein idealer Platz. Hier brüten verschiedene Pinguinarten und Albatrosse. Die Kreuzfahrtschiffe können auf beiden Meerseiten ankern und die Gäste per Zodiac auf den Landstreifen bringen. 


Eselspinguine

Schwarzbrauenalbatrosse mit Jungen

Bei unserem Besuch sind glücklicherweise keine Kreuzfahrtschiffe da. Wir haben die faszinierende Landschaft für uns allein. Wir steigen einen Hang hoch, der gut markiert ist und dafür sorgt, dass die Menschen den Tieren nicht zu nahe kommen. Magellanpinguine, Eselspinguine, Felsenpinguine, verschiedene Kormoranarten und der seltene Schwarzbrauenalbatros nisten hier. Und immer mal wieder taucht ein Schaf auf. 

Starke Winde fegen über die feinen Sandstrände, kleine Pinguingruppen watscheln im Sandsturm vorbei, was aus der Ferne ein surreales Bild ergibt. Weit oben am Hang klebt ein Container, der von David zu einer Hütte umgebaut wurde und von Touristen gemietet werden kann. Vier Personen können hier nächtigen.  

Pro anlandendem Schiffspassagier kassiert David 20 Pfund. Saunders Island liegt seit längerem auf Platz zwei der am meisten angefahrenen Orte auf den Falkland Islands. Bei 50 bis 70 Kreuzfahrtschiffen, die pro Saison hier ankern, kommt damit eine ansehnliche Summe für David und seine Familie zusammen. 

Grund zum Feiern? Sicher. Doch David plagten bei unserem Besuch ganz andere Probleme. Seine rechte Hüfte ist kaputt. Tapfer fährt er uns durch sein Reich, die Krücken liegen neben seinem Sitz. Doch die zahlreichen Gattertore müssen auf seinen inständigen Wunsch hin von den Gästen geöffnet und wieder geschlossen werden. Kollege Stefan wird zum Gatekeeper ernannt.  

Was uns einen Blick auf das Gesundheitssystem auf Falkland erlaubt. Das kleine Spital in Port Stanley ist auf unkomplizierte Fälle ausgerichtet. Alles andere, insbesondere Operationen müssen im Notfall in Chile oder Uruguay, den nächstliegenden Ländern von Falkland ausgeführt werden. 

Für David hat das britische Gesundheitssystem NHS eine weitere Lösung parat : David wird demnächst kostenlos nach Southampton in Südengland fliegen und sich dort - ebenfalls kostenlos - ein neues Hüftgelenk einbauen lassen. Seine Frau Suzan hat den Eingriff bereits hinter sich - mit Erfolg, wie wir sehen, als wir sie kennenlernen. 


Suzan und David Pole-Evans in ihrem unkonventionellen Dorfladen

Am Abend erst realisieren wir, dass wir uns selber verpflegen müssen. Kein Problem, die Familie Pole-Evans führt auch den "Dorfladen". Der allerdings sorgt beim ersten Betreten für ein Schockerlebnis: Es herrscht ein riesiges Durcheinander zwischen den Regalen, leere Kartons und Verpackungsabfall liegt herum, man stolpert über Kisten. Nach dem ersten Schreck erkennt man: Eigentlich gibt es hier alles zu kaufen. Die Ware ist sauber abgepackt, in der Tiefkühltruhe gibt es vorgekochte Mahlzeiten, die, so nehmen wir an, von Suzan Pole und ihren Töchtern zubereitet wurden. Und in einem dunklen Nebenraum stehen Weinflaschen auf dem Regal.


Koch Stefan an der Arbeit


Unser Esszimmer. Und immer grüssen die Schafe.

Das vom Gate-Opener und Koch Stefan zubereitete Essen war exzellent: Curry mit Fleisch und Curry mit Gemüse plus einen ausgezeichneten Rotwein - der Abend war gerettet. 

In der guten Stube fand ich einen grossen Fotoband über die Insel. Die Autoren, drei junge Ostschweizer, waren 2001 während dreier Monate auf den Falklands herumgereist und verbrachten dabei auch eine längere Zeit bei David auf Saunders. Das Werk der Hobbyfotografen wurde 2002 veröffentlich.


Die damals 11 jährige Tochter Carole von Suzan und David bei der Schafschur. Das Bild stammt aus dem Fotoband und wurde 2001 aufgenommen. 

Im Buch stosse ich auf ein Bild von Davids Tochter Carole. Die damals Elfjährige half bei der Arbeit auf dem Hof mit, besass schon damals einen eigenen Quad, mit dem sie Schafe zusammentrieb. Alle sechs Monate kam ein Lehrer für zwei Wochen auf die Insel und unterrichtete Carole. In der Zeit dazwischen erhielt Carole jeden Tag eine halbe Stunde lang Unterricht per Telefon. 


Und immer grüssen Schafe? Nicht immer. Am Morgen schauen zur Abwechslung Pferde bei uns vorbei. 

So, und zu guter Letzt noch ein Crashkurs zur Geschichte von Saunders Island. Sie ist so verwirrend oder sollte man besser sagen, irre, wie die Geschichte von ganz Falkland.  

Als der Brite John Byron 1765 Saunders Island und andere Inseln für König Georg III. in Besitz nahm, wusste er nicht, dass die Franzosen die Falklands bereits in Besitz genommen hatten mit einer Niederlassung in Port Louis, ebenfalls auf Westfalkland. Während Byron auf Saunders Island den Hafen Port Egmont gründete, ging die französische Kolonie 1767 an Spanien über. Wir wissen nicht, ob Byron davon wusste. Das realisierte er zweifellos 1770. Eine spanische Flottille besetzte Port Egmont und vertrieb die Briten. Es drohte ein Krieg zwischen dem Königreich und Spanien. Nach langen Verhandlungen zwischen Grossbritannien,  Frankreich und Spanien gab Madrid Port Egmont zu Gunsten der Briten auf. 

1774 gaben die Briten Port Egmont aus wirtschaftlichen Gründen auf und wohl auch, weil sie auf der anderen Globushälfte alle Hände voll zu tun hatten. Ihre dreizehn Kolonien in Nordamerika erhoben sich gegen das Empire und kämpften um ihre Unabhängigkeit. 

In Port Egmont blieben eine Fahne und eine Bleiplakette zurück, auf der der Anspruch auf die Insel festgehalten wurde.

Erst 1832 kehrten die Briten nach Port Egmont zurück. Im selben Jahr nahm das britische Empire die gesamte Inselgruppe in Besitz. Von Port Egmont gibt es laut David kaum mehr etwas zu sehen - ausser natürlich der berühmten Bleiplakette. 

Am Nachmittag fährt uns der Herr über 132 Quadratkilometer Land zur eigenen Landebahn zurück, wo uns wenig später die FIGAS aufliest und nach Port Stanley zurückbringt. 


Blick zurück auf Settlement und Flugpiste auf Saunders Island
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